In der allgemeinen Debatte um die Rolle der Troika insbesondere des IWF als Mitglied wird häufig übersehen, dass er wenn ein Mitglied in Zahlungsschwierigkeiten gerät, „dieses Land beim IWF Hilfe beanspruchen (lender of last resort) kann. Die Rechnungslegungseinheit des IWF ist das Sonderziehungsrecht (SZR). Der IWF vergibt unter bestimmten Auflagen befristete Kredite an Staaten, die unter wirtschaftlichen Problemen leiden, z. B. Argentinien, Irland (2010), Rumänien (2008) oder Griechenland (2010).
Bedingungen für die Gewährung von Krediten sind zum Beispiel: Kürzung der Staatsausgaben, niedrige Inflation, Steigerung des Exports sowie Liberalisierung des Bankenwesens.
Die den Staaten auferlegten Bedingungen in Form von Strukturanpassungsprogrammen (SAP), Konditionalitäten können zum Beispiel Privatisierung von öffentlichen Einrichtungen wie Sparkassen, Elektrizitäts- und Wasserversorgung, Telekommunikation usw. sein sowie Entlassung von bestimmten Gruppen von Mitarbeitern. „[1] Das Ziel ist dabei die Zahlungsfähigkeit dieser Länder insbesondere gegenüber den übrigen Mitgliedsstaaten wieder herzustellen. Dazu muss das Krisenland, das ein hohes Leistungsbilanzdefizit aufweist, dieses über einen möglichst raschen Zeitraum abbauen, um danach mittels Leistungsbilanzüberschüssen seinen Zahlungsverpflichtungen gegenüber dem Ausland erfüllen zu können. Die häufig im Zuge solcher Rosskuren der Krisenländer durch den IWF eintretenden Verwerfungen durch Wachstumseinbußen, Arbeitslosigkeit und sozialen Unruhen entstehenden hohen Anpassungskosten, werden dabei in Kauf genommen. Analog zu einem Insolvenzverwalter soll der IWF nur sicherstellen, dass die Gläubiger aus den anderen Ländern vor Verlusten der jeweiligen Krisenländer geschützt werden oder möglichst geringe Verluste erleiden, weil diese eine verfehlte Wirtschaftspolitik betrieben haben. Der IWF hat jedoch nicht die Aufgabe Entwicklungshilfe für wirtschaftlich schwache Länder zu leisten. Dies ist Aufgabe der Weltbank.[2]
Nachdem der IWF als Mitglied der Troika an der Sanierung der Krisenländer der Eurozone beteiligt wurde, ist es daher nicht verwunderlich, dass er genau entsprechend seiner bisherigen Praxis diese auch dort umgesetzt hat. Die vom IWF mit den anderen beiden Partnern, der EZB und der EU Kommission, gemeinsam mit den Regierungen der Krisenländer ausgehandelten Konsolidierungsprogramme tragen daher auch die Handschrift des IWF. Weder EU-Kommission noch die EZB verfügen wie der IWF über entsprechende Expertise solche Programme zu gestalten. Es verwundert daher auch nicht, wenn entsprechend die Logik die Ergebnisse aus der Konsolidierung der sechs Krisenländer der Eurozone ausgefallen sind. Im Kern ging es vorrangig um den raschen Abbau hoher Leistungsbilanzdefizite. Das hat der IWF mit den anderen Partnern der Troika auch konsequent umgesetzt.
Abbildung 1 – Leistungsbilanzentwicklung Griechenlands
Abbildung 2 – Leistungsbilanzentwicklung Irlands
Abbildung 3 – Leistungsbilanzentwicklung Portugals
Abbildung 4 – Leistungsbilanzentwicklung Spaniens
Abbildung 5 – Leistungsbilanzentwicklung Italiens
Abbildung 6 – Leistungsbilanzentwicklung Zyperns
Dabei sind zwangsläufig Kollateralschäden bei Wachstum und Beschäftigung in den Euro-Krisenländern entstanden. Hinzu kommt, dass die Austeritätspolitik dort auch nicht, wie zunächst erhofft, eine Konsolidierung der Staatsfinanzen herbeigeführt hat. Eine Ursache liegt darin, dass die betroffenen Regierungen nur äußerst widerstrebend die ihnen verordnete bittere Medizin zu schlucken bereit waren. Insbesondere wurden die Anpassungslasten vorrangig dem privaten Sektor zugeschoben, d.h. es wurden Steuern und Abgaben erhöht und soziale Leistungen gekürzt. Die Staatsbürokratie hat hingegen ihre Privilegien zusammen mit den wirtschaftlichen Eliten der Länder weitgehend unangetastet gelassen. Es gibt daher eine erhebliche soziale Asymmetrie wer die Zeche für die verfehlte Wirtschaftspolitik der letzten Jahre zahlen muss. Es sind nicht diejenigen, die diese Fehlentwicklung verursacht haben, sondern es ist die Konsolidierung zu Lasten der breiten Bevölkerung.
Die korrupten Eliten der Krisenländer benutzen den IWF als Sündenbock
Ist das vorrangig die Schuld des IWF? Weitaus weniger als es in der Öffentlichkeit dieser Länder den Anschein hat. Hinter der Schelte verbergen sich die nationalen Eliten, die ihre Länder auf die schiefe Bahn gebracht haben. Sie haben sich an der Macht halten können oder sich wie in einer Reihe von Ländern erst im Zuge der Krise als Retter des Landes an die Macht bringen können. So wurde in Portugal José Sócrates[3] der Sozialistischen Partei durch Pedro Passos Coelho[4] der PSD im Jahr 2011 abgelöst. Er gehört wie der EU-Kommissionsvorsitzende Manuel Barroso[5] der gleichen Partei an. In Spanien wurde José Luis Rodríguez Zapatero[6] der PSOE[7] durch Mariano Rajoy[8] der konservativen PP[9] im gleichen Jahr ersetzt. Im gleichen Jahr wurde in Irland die konservative Präsidentin Mary McAleese[10] der Fianna Fáil durch Michael D. Higgins[11] der Irish Labour Party[12] ersetzt. Zuvor hatte sie jedoch noch den kompletten Bailout der irischen Banken das Land in eine katastrophale Lage gebracht. In Griechenland wurde in rascher Folge die sozialistischen Premierminister Giorgos Andrea Papandreou[13] der PASOK von den beiden parteilosen Loukas Papadimos[14] und danach von Panagiotis Pikrammenos[15] abgelöst bis dann der Konservative Andonis Samaras[16] der ND[17] im Jahr 2012 seither die Macht übernommen hat. Auf Zypern wurde der Staatspräsident Dimitris Christofias der linken Anorthotiko Komma Ergazomenou Laou[18] durch Nikos Anastasiadis[19] der konservativen Dimokratikos Synagermos[20] im Jahr 2013 ersetzt. Schlussendlich wurde in Italien der Ministerpräsident Silvio Berlusconi[21] der Il Popolo della Libertà[22] im Jahr 2011 zunächst durch den parteilosen Interimsministerpräsidenten Mario Monti[23] und jetzt im Jahr 2013 durch Enrico Letta[24] der Partito Democratico[25] ersetzt. Letztendlich haben sich im Zuge der Eurokrise in all diesen Ländern konservative Politiker mit der Ausnahme von Irland und Italien durchgesetzt. In Italien bleibt jedoch Silvio Berlusconi immer noch wegen der Koalitionsregierung eine graue Eminenz der italienischen Politik.[26]
Es muss daher nicht verwundern, wenn die konservative Phalanx im Bündnis mit der dem IWF eine solche Politik in ihren Ländern implementieren konnte. Nicht zuletzt auch der Einfluss der schwarz-gelben Regierung unter Angela Merkel hat diesen Rechtsrutsch in Europa bewirkt. Da jedoch die sozialen Spannungen in den Krisenländern zunehmen, droht diese Allianz nun am Widerstand der jeweiligen Bevölkerung dieser Länder zu zerbrechen. Sie haben die in sie gesetzten Hoffnungen auf eine schnelle Lösung der Krisen dort nicht erfüllen können. Massenarbeitslosigkeit und wirtschaftliche Rezession wüten dort weiterhin. Eine soziale Balance in der Konsolidierung dieser Krisenländer ist weitgehend verloren gegangen. Gewinner sind die konservativen Eliten in Politik und Wirtschaft, die von den Folgen der Austeritätspolitik weitgehend verschont geblieben sind.
Nachdem nun aus Sicht der Geberländer der IWF seine Schuldigkeit getan hat, in dem er die Wende bei der Leistungsbilanzentwicklung herbeigeführt hat, und eine konservative neoliberale Machtelite etabliert werden konnte, wollen sich die EU-Kommission im Bündnis mit den konservativen Regierungen des IWF gerne wieder entledigen. Der beharrt ja weiterhin auf der Einhaltung der zuvor ausgehandelten Konditionalitäten der Hilfsprogramme. Das sieht man innerhalb der EU nicht mehr ganz so eng. Der Mohr hat jetzt seine Schuldigkeit getan und kann jetzt gehen.
Der IWF wird sich nicht lange Bitten lassen
Der wird sich am Ende nicht lange bitten lassen. Er möchte aus dem europäischen Schlamassel möglichst ohne Gesichtsverlust herauskommen. Die Exit-Option ist, dass er an der Tragfähigkeit der Schulden der Krisenländer – wie derzeit in Griechenland – zweifelt und einen deutlichen Schuldenschnitt fordert. Kommt dieser nicht rasch zustande, wird er sich satzungsgemäß aus der Troika zurückziehen. Die anderen Staaten sind das Gezerre in der Eurozone sowieso leid zumal jetzt sich eine emerging market Krise abzeichnet.[27] Diese Länder dürften bald die Mittel und Expertise des IWF noch dringender benötigen als die Krisenländer der Eurozone. Letztendlich zweifelt man international an dem Willen der Länder rasch und umfassend die notwendigen Strukturreformen umzusetzen. Man überläßt daher die Eurozone letztendlich ihrem Schicksal. Der IWF hat das aus seiner Sicht mögliche getan.