Die Rolle des IWF in der Troika-Mission

In der allgemeinen Debatte um die Rolle der Troika insbesondere des IWF als Mitglied wird häufig übersehen, dass er wenn ein Mitglied in Zahlungsschwierigkeiten gerät, „dieses Land beim IWF Hilfe beanspruchen (lender of last resort) kann. Die Rechnungslegungseinheit des IWF ist das Sonderziehungsrecht (SZR). Der IWF vergibt unter bestimmten Auflagen befristete Kredite an Staaten, die unter wirtschaftlichen Problemen leiden, z. B. Argentinien, Irland (2010), Rumänien (2008) oder Griechenland (2010).

Bedingungen für die Gewährung von Krediten sind zum Beispiel: Kürzung der Staatsausgaben, niedrige Inflation, Steigerung des Exports sowie Liberalisierung des Bankenwesens.

Die den Staaten auferlegten Bedingungen in Form von Strukturanpassungsprogrammen (SAP), Konditionalitäten können zum Beispiel Privatisierung von öffentlichen Einrichtungen wie Sparkassen, Elektrizitäts- und Wasserversorgung, Telekommunikation usw. sein sowie Entlassung von bestimmten Gruppen von Mitarbeitern. „[1]  Das Ziel ist dabei die Zahlungsfähigkeit dieser Länder insbesondere gegenüber den übrigen Mitgliedsstaaten wieder herzustellen. Dazu muss das Krisenland, das ein hohes Leistungsbilanzdefizit aufweist, dieses über einen möglichst raschen Zeitraum abbauen, um danach mittels Leistungsbilanzüberschüssen seinen Zahlungsverpflichtungen gegenüber dem Ausland erfüllen zu können. Die häufig im Zuge solcher Rosskuren der Krisenländer durch den IWF eintretenden Verwerfungen durch Wachstumseinbußen, Arbeitslosigkeit und sozialen Unruhen entstehenden hohen Anpassungskosten,  werden dabei in Kauf genommen. Analog zu einem Insolvenzverwalter soll der IWF nur sicherstellen, dass die Gläubiger aus den anderen Ländern vor Verlusten der jeweiligen Krisenländer geschützt werden oder möglichst geringe Verluste erleiden, weil diese eine verfehlte Wirtschaftspolitik betrieben haben. Der IWF hat jedoch nicht die Aufgabe Entwicklungshilfe für wirtschaftlich schwache Länder zu leisten. Dies ist Aufgabe der Weltbank.[2]

Nachdem der IWF als Mitglied der Troika an der Sanierung der Krisenländer der Eurozone beteiligt wurde, ist es daher nicht verwunderlich, dass er genau entsprechend seiner bisherigen Praxis diese auch dort umgesetzt hat. Die vom IWF mit den anderen beiden Partnern, der EZB und der EU Kommission, gemeinsam mit den Regierungen der Krisenländer ausgehandelten Konsolidierungsprogramme tragen daher auch die Handschrift des IWF. Weder EU-Kommission noch die EZB verfügen wie der IWF über entsprechende Expertise solche Programme zu gestalten. Es verwundert daher auch nicht, wenn entsprechend die Logik die Ergebnisse aus der Konsolidierung der sechs Krisenländer der Eurozone ausgefallen sind. Im Kern ging es vorrangig um den raschen Abbau hoher Leistungsbilanzdefizite. Das hat der IWF mit den anderen Partnern der Troika auch konsequent umgesetzt.

Abbildung 1 – Leistungsbilanzentwicklung Griechenlands

 Greece current account

Abbildung 2 – Leistungsbilanzentwicklung Irlands

Ireland

Abbildung 3 – Leistungsbilanzentwicklung Portugals

PortugalAbbildung 4 – Leistungsbilanzentwicklung Spaniens

Spain current accountAbbildung 5 – Leistungsbilanzentwicklung Italiens

Italy current accountAbbildung 6 – Leistungsbilanzentwicklung Zyperns

Cyprus current accountDabei sind zwangsläufig  Kollateralschäden bei Wachstum und Beschäftigung in den Euro-Krisenländern entstanden. Hinzu kommt, dass die Austeritätspolitik dort auch nicht, wie zunächst erhofft, eine Konsolidierung der Staatsfinanzen herbeigeführt hat.  Eine Ursache liegt darin, dass die betroffenen Regierungen nur äußerst widerstrebend die ihnen verordnete bittere Medizin zu schlucken bereit waren. Insbesondere wurden die Anpassungslasten vorrangig dem privaten Sektor zugeschoben, d.h. es wurden Steuern und Abgaben erhöht und soziale Leistungen gekürzt. Die Staatsbürokratie hat hingegen ihre Privilegien zusammen mit den wirtschaftlichen Eliten der Länder weitgehend unangetastet gelassen. Es gibt daher eine erhebliche soziale Asymmetrie wer die Zeche für die verfehlte Wirtschaftspolitik der letzten Jahre zahlen muss. Es sind nicht diejenigen, die diese Fehlentwicklung verursacht haben, sondern es ist die Konsolidierung zu Lasten der breiten Bevölkerung.

Die korrupten Eliten der Krisenländer benutzen den IWF als Sündenbock

Ist das vorrangig die Schuld des IWF? Weitaus weniger als es in der Öffentlichkeit dieser Länder den Anschein hat. Hinter der Schelte verbergen sich die nationalen Eliten, die ihre Länder auf die schiefe Bahn gebracht haben. Sie haben sich an der Macht halten können oder sich wie in einer Reihe von Ländern erst im Zuge der Krise als Retter des Landes an die Macht bringen können.  So wurde in Portugal José Sócrates[3] der Sozialistischen Partei durch Pedro Passos Coelho[4] der PSD im Jahr 2011 abgelöst. Er gehört wie der EU-Kommissionsvorsitzende Manuel Barroso[5] der gleichen Partei an. In Spanien wurde José Luis Rodríguez Zapatero[6] der PSOE[7] durch Mariano Rajoy[8] der konservativen PP[9] im gleichen Jahr ersetzt. Im gleichen Jahr wurde in Irland die konservative  Präsidentin Mary McAleese[10] der Fianna Fáil durch Michael D. Higgins[11] der Irish Labour Party[12] ersetzt.  Zuvor hatte sie jedoch noch den kompletten Bailout der irischen Banken das Land in eine katastrophale Lage gebracht. In Griechenland wurde in rascher Folge die sozialistischen Premierminister Giorgos Andrea Papandreou[13] der PASOK von  den beiden parteilosen Loukas Papadimos[14] und danach von Panagiotis Pikrammenos[15] abgelöst bis dann der Konservative Andonis Samaras[16] der ND[17] im Jahr 2012 seither die Macht übernommen hat. Auf Zypern wurde der Staatspräsident Dimitris Christofias der linken Anorthotiko Komma Ergazomenou Laou[18] durch Nikos Anastasiadis[19] der konservativen Dimokratikos Synagermos[20] im Jahr 2013 ersetzt. Schlussendlich wurde in Italien der Ministerpräsident Silvio Berlusconi[21] der Il Popolo della Libertà[22] im Jahr 2011 zunächst durch den parteilosen Interimsministerpräsidenten Mario Monti[23] und jetzt im Jahr 2013 durch Enrico Letta[24] der Partito Democratico[25] ersetzt. Letztendlich haben sich im Zuge der Eurokrise in all diesen Ländern konservative Politiker mit der Ausnahme von Irland und Italien durchgesetzt. In Italien bleibt jedoch Silvio Berlusconi immer noch wegen der Koalitionsregierung eine graue Eminenz der italienischen Politik.[26]

Es muss daher nicht verwundern, wenn die konservative Phalanx im Bündnis mit der dem IWF eine solche Politik in ihren Ländern implementieren konnte. Nicht zuletzt auch der Einfluss der schwarz-gelben Regierung unter Angela Merkel hat diesen Rechtsrutsch in Europa bewirkt. Da jedoch die sozialen Spannungen in den Krisenländern zunehmen, droht diese Allianz nun am Widerstand der jeweiligen Bevölkerung dieser Länder zu zerbrechen. Sie haben die in sie gesetzten Hoffnungen auf eine schnelle Lösung der Krisen dort nicht erfüllen können. Massenarbeitslosigkeit und wirtschaftliche Rezession wüten dort weiterhin. Eine soziale Balance in der Konsolidierung dieser Krisenländer ist weitgehend verloren gegangen. Gewinner sind die konservativen Eliten in Politik und Wirtschaft, die von den Folgen der Austeritätspolitik weitgehend verschont geblieben sind.

Nachdem nun aus Sicht der Geberländer der IWF seine Schuldigkeit getan hat, in dem er die Wende bei der Leistungsbilanzentwicklung herbeigeführt hat, und eine konservative neoliberale Machtelite etabliert werden konnte, wollen sich die EU-Kommission im Bündnis mit den konservativen Regierungen des IWF gerne wieder entledigen. Der beharrt ja weiterhin auf der Einhaltung der zuvor ausgehandelten Konditionalitäten der Hilfsprogramme. Das sieht man innerhalb der EU nicht mehr ganz so eng. Der Mohr hat jetzt seine Schuldigkeit getan und kann jetzt gehen.

Der IWF wird sich nicht lange Bitten lassen

Der wird sich am Ende nicht lange bitten lassen.  Er möchte aus dem europäischen Schlamassel möglichst ohne Gesichtsverlust herauskommen. Die Exit-Option ist, dass er an der Tragfähigkeit der Schulden der Krisenländer – wie derzeit in Griechenland  – zweifelt und einen deutlichen Schuldenschnitt fordert. Kommt dieser nicht rasch zustande, wird er sich satzungsgemäß aus der Troika zurückziehen. Die anderen Staaten sind das Gezerre in der Eurozone sowieso leid zumal jetzt sich eine emerging market Krise abzeichnet.[27] Diese Länder dürften bald die Mittel und Expertise des IWF noch dringender benötigen als die Krisenländer der Eurozone. Letztendlich zweifelt man international an dem Willen der Länder rasch und umfassend die notwendigen Strukturreformen umzusetzen. Man überläßt daher die Eurozone letztendlich ihrem Schicksal. Der IWF hat das aus seiner Sicht mögliche getan.


KfW mutiert zur Bad Bank der Eurozone

Die Kreditanstalt für Wiederaufbau ist die drittgrößte Bank Deutschlands. Sie ist die Staatsbank, die unter direkter Kontrolle des Bundesfinanzministeriums steht und keinerlei Bankenaufsicht[1] wie der BaFin[2] oder EBA[3] unterliegt. [4] Bisher war sie im Wesentlichen mit ihrer Geschäftstätigkeit auf die Finanzierung von Krediten für politische Zwecke von Inländern ausgerichtet. Jetzt beginnt offensichtlich der Bundesfinanzminister Schäuble damit, dieses Prinzip zu durchbrechen und will zur Bankenrettung in Italien, Spanien und Portugal die KfW als Kreditgeber einsetzen.[5] Damit macht er die KfW, die ja direkt durch die Staatshaftungsgarantie Deutschland besichert ist, zur Bad Bank Europas. Das geschieht außerhalb der Budgethoheit des Deutschen Bundestags. Mithin werden hier entgegen der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur Haftungsbegrenzung bei EFSF/ESM neue Haftungsrisiken außerhalb des Bundeshaushalts eingegangen. Das ist eindeutig verfassungswidrig. Es zeigt aber auch wie verzweifelt inzwischen die Lage der Politik der Rettungspakete ist.

EZB als Staatsfinanzierer und Bankenretter auf dem Rückzug

Offenbar kann die EZB nicht wie im letzten Jahr noch verkündet im Rahmen des geplanten OMT-Programms ankaufen.[6] Man fürchtet das Veto des Bundesverfassungsgerichts. In einem Rechtsgutachten kommt der ehemalige Bundesverfassungsrichter Di Fabio zum Ergebnis, dass Deutschland sogar zum Austritt aus der Währungsunion gezwungen sein könnte, wenn die anderen Länder der Gemeinschaft weiterhin fortgesetzten vertragsbrüchig bleiben.[7] In der kommenden Woche findet jetzt die öffentliche Verhandlung bezüglich der EZB und ihrer Staatsanleihenkäufe  in Karlsruhe statt. Die Bundesbank hat sich seit Beginn strikt gegen diese Ankäufe einer indirekten oder gar direkten Staatsfinanzierung durch die Notenpresse ausgesprochen.[8] Das gibt der Klage ein zusätzliches Gewicht, da ein Verfassungsorgan wie die Deutsche Bundesbank sich gegen die Politik der EZB stellt. Die BIZ[9] hat sich ebenfalls gegen eine Haftung der Steuerzahler bei einer Bankenrettung innerhalb der geplanten Bankenunion[10] ausgesprochen.[11]

Desolate Wirtschaftslage in Europa

Wegen der desolaten wirtschaftlichen Lage in den Krisenländern und der sich weiter verschlechternden Lage auch in den übrigen Mitgliedsländern der EU versucht man jetzt verzweifelt Wachstumsimpulse zu setzen, die jedoch wenig erfolgversprechend sind. Die Politik der Finanzhilfen im Gegenzug zu grundlegenden Strukturreformen in den Krisenländern ist gescheitert.  Der IWF als Mitglied der Troika hat jetzt schwere Irrtümer bei der Verabschiedung des ersten Rettungspakets für Griechenland eingeräumt.[12] Er versucht damit einen zweiten Schuldenschnitt für Griechenland zu erzwingen, der dann jedoch zu Lasten der Geberländer gehen würde. Insbesondere die EZB und auch der EFSF müssten dann ihre Forderungen in ihren Bilanzen abschreiben. Der IWF hingegen verfügt über eine Klausel, die ihn von derartigen Schulderlassen freistellt. Mithin ist dieser Vorstoß des IWF nicht ganz uneigennützig. Müssen die anderen auf ihre Forderungen verzichten, dann wird die Forderung des IWF gegenüber Griechenland sicherer.[13] Dem hat die EU-Kommission und die EZB aus verständlichen Gründen heftig widersprochen.[14]  Letztendlich würde sich an der Lage Griechenlands effektiv durch einen Schuldenschnitt nichts Wesentliches ändern.[15] Griechenland zahlt bereits jetzt weder Zinsen noch Tilgung für die erhaltenen Hilfskredite. Es wäre nur eine Bilanzverkürzung ohne dass dadurch zusätzliche Mittel dem griechischen Staat zur Verfügung ständen. Zudem erweisen sich die Sparpakete, die von der Troika mit den Krisenländern der Eurozone ausgehandelt wurden, als wenig erfolgreich. Von einer Konsolidierung der Staatsausgaben[16] kann dort bisher keine Rede sein.[17] Wegen des Ausbrechens des IWF aus der Solidarität mit der EU-Kommission und der EZB wird jetzt sogar die Forderung nach einer Beendigung der Troika von FDP-Politikern erhoben.[18] Man hofft vielleicht dadurch die Transparenz über die erzielten oder nicht erzielen Anpassungsfortschritte bei den Strukturreformen der Krisenländer beseitigen zu können.

Alles dies deutet auf eine weitere Zuspitzung der Eurokrise hin. [19] Der mühsam ausgehandelte Fiscal Compact[20] mit Schuldenbremsen für alle Mitgliedsländer der Eurozone ist bereits jetzt Makulatur. Die Finanzminister haben ihn für mehrere Jahre wieder außer Kraft gesetzt.[21] Selbst die EU-Kommission erweist sich unfähig den EU-Haushalt zu senken.[22] Derweil verschärft sich die Wirtschafts-[23] und Beschäftigungskrise[24] innerhalb Europas immer stärker. Die nordischen Länder stehen vor dem Problem einer auch dort jetzt platzenden Immobilienblase.[25] Deutschland leidet derzeit auch besonders unter der Flutkatastrophe.[26] Wegen auch weltweit bestehender Wachstumsschwäche gerät auch die Exportwirtschaft in Deutschland unter Druck, die bisher sich als wesentlicher Stabilisator für die deutsche Wirtschaft erwiesen hat.  Frankreich als zweites wichtigstes Land der Eurozone befindet sich bereits in der Rezession.[27]

Die KfW wird es nicht richten können

Unter diesen Rahmenbedingungen die KfW jetzt als Lender-of-Last-Resort der maroden Banken innerhalb anderer Banken in Europa einsetzen zu wollen, ist abenteuerlich. Wie bei der Flut an der Elbe können brechende Dämme nicht mit Geldsäcken gestopft werden. Geld das man ja gar nicht hat, sondern einfach als Buchgeld willkürlich kreiert. Der Geldillusion wird nur eine weitere Dimension hinzugefügt.[28] Der Karren steckt nach fünf Jahren Rettungspolitik tief im Morast und niemand weiß jetzt noch wie man ihn da wieder herausbekommen kann.[29]

Es bedarf letztendlich gewaltiger Anstrengungen zu einem umfassenden Reset der völlig aus dem Ruder gelaufenen Verschuldungen. Dabei werden äußerst scherzhafte Schuldenschnitte kaum vermeiden werden können. Es müssen aber auch drastische Änderungen am gesamten Rahmen der Wirtschaft vorgenommen werden. [30] Dabei sind eine strikte Regulierung der Finanzmärkte und eine umfassende Reform des Steuersystems, um die grassierende Steuerflucht bis hin  zu den multinationalen Konzernen an vorderster Front zu nennen. Es werden aber auch soziale Ansprüche, die nicht mehr finanzierbar sind, auf ein realistisches Maß zurückgeführt werden müssen. Durchwursteln wie bisher gerät an seine natürlichen Schranken. Die fetten Jahre sind endgültig vorbei.


Italien: Bezahlt wird nicht!

Wie passend zur Lage Italiens. Dario Fo[1], der italienische Literatur-Nobelpreisträger, hat eine Farce unter dem gleichen Titel inszeniert.[2] Das ist zwar schon über vierzig Jahre her, aber derzeit wieder hoch aktuell. Es ist die gleiche Grundeinstellung, die in Italien die Politik beherrscht. Ob es nun Grillo[3] oder Berlusconi[4] und jetzt wohl auch Monti[5] betrifft. Letzterer verkündet nun als scheidender Ministerpräsident, dass man den Italienern einen Sparhaushalt nicht zumuten könne.[6] Man hat zwar inzwischen über 2 Billionen Euro Staatsschulden aufgehäuft, aber bezahlt wird nicht.  Mithin läuft alles über kurz oder lang auf einen Schuldenerlass heraus. Da mag Jens Weidmann noch so sehr protestieren,[7] die Italiener mit Mario Draghi an der Spitze wollen ihre Auslandsschulden nicht begleichen und schon gar nicht bei hohen Zinsen. Man will eben auch wie Irland eine Finanzierung auf ein halbes Jahrhundert gestreckt haben,[8] Wer weiß denn was 2040 oder 2058 ist. Mögen sich doch die Gläubiger ihre schönen Forderungen in ihre Bilanzen schreiben. Bezahlt wird am Ende sowieso nicht. So lautet die Devise, da mag Merkel und Schäuble noch so salbungsvolle Moralpredigten halten, am Ende steht der Schuldenschnitt. Genau das ist die Strategie der italienischen Politik und aller anderen Länder des Club Mediterranee.  Wann begreifen das endlich unsere tumben Euroretter. Bezahl wird nicht. Schreibt es Euch hinter die Ohren.

Zypern erhält 10 Mrd. Euro aus den EU-Rettungsfonds

Die Euro-Finanzminister haben sich gemeinsam mit dem IWF auf ein Hilfspaket zur Rettung der zyprischen Banken verständigt.[1] Das ist eigentlich keine Überraschung.  Same, same not different. Die Summe ist allerdings etwas niedriger ausgefallen als es sich die Zyprioten vorgestellt hatten. Zuvor waren Beträge zwischen zehn bis dreizehn Milliarden Euro im Gespräch.[2] Bleibt die Frage nach den Konditionalitäten die Zypern für diese Hilfe zu erfüllen haben wird. Hier ist insbesondere eine Zwangsabgabe von 9,9 Prozent für Privatanleger bei Einlagen von mehr als 100.000 Euro zu nennen.  Das ist äußerst moderat, wenn man den haircut für griechische Privatanleger denkt. Damals lag dieser Schnitt bei 50 Prozent. Insbesondere ausländische Investoren wie russische Oligarchen und britische Finanzinstitute, die die extrem niedrigen Steuersätze von 10 bis 12 Prozent nach Zypern gelockt hatten, kommen glimpflich davon. Schätzungen gehen hier von einem wesentlichen Anteil des gesamten  Anlagevolumens von rund 70 Mrd. Euro bei zypriotischen Banken aus. Würde die Zwangsabgabe auf die gesamte Summe also erhoben, dann würde rund 6,93 Euro der Finanzhilfe letztendlich von den Privatanlegern über die Zwangsabgabe finanziert werden, wenn man unterstellt, dass nahezu die gesamten Einlagen oberhalb der 100.000 Euro Schränke lägen. Blieben also dann nur noch knapp 3 Mrd. Euro die von den Steuerzahlern der übrigen Länder aufzubringen wären. Damit hätten sich die Kanzlerin und ihr Finanzminister grundsätzlich durchgesetzt, dass die Privatanleger an der zyprischen Bankenrettung beteiligt werden müssen. Allerdings bleibt hier offen, ob die splitting der Konten mit mehr als 100.000 Euro auf mehrere Einzelkonten mit Anlagen unter 100.000 Euro diese Regelung nicht doch noch von raffinierten Anlegern mit tätiger Hilfe der zyprischen Banken unterlaufen werden kann. Inzwischen hat man sich ja daran gewöhnt, dass nichts so ist wie es scheint.

Konditionalitäten: Mehr Schein als Sein?     

In den übrigen Konditionalitäten wie Anhebung der extrem niedrigen Steuersätze in Zypern auf ein erträgliches Niveau, um Zypern als On-shore Steueroase unattraktiver zu machen, sowie desweiteren verschärften Kontrolle von Geldwäsche bleibt abzuwarten, ob es gelingt hier wirksame Schranken den levantinischen Geldwäschern und Steuerhinterziehern zu setzen. Erst wenn hier eindeutige Resultate vorlägen, ließe sich beurteilen, ob es mit diesen Forderungen der Minister der Eurozone am Ende auch tatsächlich geklappt hat. Wie bei anderen Konditionalitäten im Falle Griechenlands, Portugal und Irlands sowie Spaniens ist die Erfolgsgeschichte solcher Programme mehr als bescheiden. Sie dienen oftmals nur als Feigenblatt für die politische Legitimation der Finanzhilfen. Jedenfalls sind die versprochenen Maßnahmen bisher nirgendwo termingerecht und in vollem Umfang realisiert worden. Sie unterliegen einem ständigen Anpassungsprozess der Aufweichung. Warum sollte es diesmal anders sein? Das Postulat kein Land der Eurozone bankrottgehen zu lassen, führt zwangsläufig dazu, dass man die Drohung genau dies durch Verweigerung weiterer Zahlungen aus dem EFSF/ESM eintreten zu lassen, de facto außer Kraft gesetzt hat. Am Ende flossen die Gelder, ob nun die Konditionalitäten erfüllt waren oder nicht. So wird es wohl auch hier wieder sein. Das Geld ist geflossen die Konditionalitäten wurden nicht erfüllt.

Merkel braucht nun erneut die Zustimmung im Bundestag

Jetzt bedarf es erneut wieder der Zustimmung des Deutschen Bundestags zum Rettungspaket Zyperns. Das wird vermutlich kein leichter Gang für die Kanzlerin. Schließlich fehlte ihr bei entsprechenden Abstimmungen dort immer wieder die Kanzlermehrheit, d.h. die Mehrheit im Bundestag auf Basis der eigenen Koalitionsparteien.

Die Oppositionsparteien SPD[3] und Grüne[4] haben bereits im Vorfeld Bedingungen im Falle Zypern gestellt, die erfüllt sein müssen, damit man einem Rettungspaket Zyperns zustimmen würde. Es hängt jetzt von deren poltischer Wertung ab, ob sie das vorliegende Verhandlungsergebnis als ausreichend ansehen werden. Es könnte zu Nachverhandlungen kommen, wenn dies nicht der Fall ist und die Kanzlermehrheit für Merkel auch nicht steht. Schließlich hat der Bundestagswahlkampf begonnen. Da wird man der Kanzlerin ja keinen leichten Erfolg gönnen.

Was machen die Rating-Agenturen und die ISDA?

Wird wie im Falle Griechenlands erneut ein partieller Zahlungsausfall verkündet werden? Wie im Falle Griechenland würde dies die gleichen Prozeduren bei der ISDA auslösen.[5] Werden mit Credit Default Swaps (CDS) besicherte Anlagen fällig gestellt[6], d.h. die Versicherer müssen den Versicherten den Schaden bezahlen? Werden inländische Anleger anders behandelt als ausländische?[7] All das sind offene Fragen, die sich erst im Zuge der Umschuldung klären werden. Die Unsicherheit an den Finanzmärkten dürfte deswegen zunehmen.

Setzt Draghi den OMT in Gang?

Hinzu kommt, dass zwischenzeitlich Zypern in eine finanzielle Schieflage geraten kann. Muss dann die EZB von ihrer Zusage Staatsanleihen über das OMT-Programm[8] aufzukaufen Gebrauch machen? Wie würden dann die Öffentlichkeit, die Bundesbank und die Finanzmärkte darauf reagieren?

Zypern gerettet?

Wenn jetzt wieder einmal in den Medien vollmundig die Rettung Zypern verkündet wird, der verkennt, dass erst jetzt Prozesse in Gang gesetzt werden, die eine endgültige Lösung scheitern oder zumindest soweit erschweren können, dass es zu erheblich Verwerfungen kommen wird. Die Eurokrise ist noch lange nicht zu Ende. Dies war nur ein kleines Zwischenspiel. Die wahren Dramen liegen im Westen (Italien, Spanien, Frankreich) und hier lautet die Botschaft, im Westen nichts Neues.

Desinformation über die effektiven Zinskosten der Krisenstaaten der Eurozone

In der breiten Öffentlichkeit wird immer wieder mit den hohen Finanzierungskosten der Krisenländer bei der Refinanzierung ihrer Staatsschulden beispielsweise von zehnjährigen Staatsanleihen am privaten Kapitalmarkt Angst vor einem Finanzkollaps geschürt. [1]

Aber stimmt diese Sichtweise mit der Realität der Finanzierung dieser Staaten überein?  De facto findet derzeit bereits zu einem wesentlichen Teil und im Falle Griechenlands nahezu komplett durch die diversen Rettungsschirme EFSM/EFSF/ESM[2] und durch die EZB statt. Hier gelten aber ganz andere Zinssätze. Diese liegen auf einem wesentlich niedrigeren Niveau, da sie ja über Eurobonds seitens  beispielsweise über EFSF/ESM  finanziert werden. So lagen die Zinssätze für zehnjährige Eurobonds des EFSF am 5. September 2012 für 3 Mrd. Euro bei 2,13 Prozent. [3] Für 25-jährige Eurobonds lag der Zinssatz im Juli 2012 bei 2,959 Prozent.[4] Mit vergleichbar niedrigen Zinssätzen ist auch in diesem Jahr für Finanzhilfen – sprich Refinanzierungen der Staatsschulden der PIIGS[5]-Staaten und demnächst auch wohl für Zypern – seitens dem EFSF/ESM  zu rechnen.[6] Mithin liegen die Zinsen für die Refinanzierung der Staatsfinanzen deutlich unter denen, die von Seiten der EZB und den Medien für die Finanzierung der Staatsfinanzen der Krisenländer immer wieder kolportiert werden. Die effektive Zinsbelastung der Krisenländer kann daher nur als gewichtetes Mittel aus den über den EFSF/ESM finanzierten Kredite der Krisenländer und denen über den privaten Kapitalmarkt berechnet werden. Hinzu kommen noch die Finanzierungskosten seitens der EZB via SMP[7], Target2[8] und ELA[9] und möglicherweise demnächst durch das OMT-Programm[10].

Partielle Transparenz hilft hier nicht weiter

Zwar hat die EZB jetzt erstmals Details über die Ankäufe des SMP-Programms aus dem Jahr 2010 veröffentlicht[11], aber es fehlen konkrete Angaben über die jeweiligen Zinszahlungen, die die jeweiligen Länder für diese Staatsschuldverschreibungen zu leisten hätten. Es wurde nur mit einem angeblichen Milliardengewinn der EZB aus den SMP-Käufen aus dem Jahr 2010 von Mario Draghi geworben. Leider ist diese Sichtweise eine Milchmädchen-Rechnung. Die Buchgewinne aus Zinszahlungen an die EZB werden ja an die jeweiligen Nationalen Zentralbank zur Hälfte ausgeschüttet, von dort an die jeweiligen Regierungen als beispielsweise Bundesbankgewinne überwiesen und last-but-not-least wieder aufgrund eines Beschlusses des Europäischen Rates an die Krisenländer zurück überwiesen. Die andere Hälfte der  Zinserträge wandert in die Risikovorsorge der EZB. Hier könnten sie bei weiteren Schuldenerlassen wie im vergangenen Jahr im Falle Griechenlands ebenfalls wieder gestrichen werden.

Bisher hatte sich ja die EZB an einer Beteiligung eines Schuldenerlasses im Falle Griechenlands[12] vehement  zur Wehr gesetzt.[13] Das könnte sich ja nun aufgrund der Rückstellungen aus den Zinszahlungen ja ändern. Letztendlich wäre es dann unter Umständen erneut eine Nullbuchung. Zinserträge aus dem SMP fließen in die Rückstellungen zur Risikovorsorge  der EZB und können dann später wieder bei einem Schuldenschnitt als Verluste abgebucht gegenüber den Zinserträgen saldiert werden.

Voodoo Finanzierungsmodelle

Wo sind denn jetzt die effektiven Zinslasten die diese Länder auf diese Papiere am Ende noch tatsächlich zu leisten haben?

Mithin bleiben die effektiven Refinanzierungskosten der Krisenländer weiterhin im Dunkeln. Transparenz gegenüber den Steuerzahlern der EU sähe jedenfalls anders aus. Schließlich haben die Parlamente und Bürger der EU einen Anspruch darauf, dass sie erfahren wie viele Finanztransfers  insgesamt und über die verschiedenen Kanäle die wie Pilze aus der Erde geschossen sind, an diese Länder geleistet werden.

De facto haben wir bereits eine nachhaltige Transferunion innerhalb der EU errichtet. Nur weiß in der breiten Öffentlichkeit niemand genau wie hoch die Rechnung bereits jetzt und in Zukunft ausfallen wird.[14]

Irland hat offenbar eine Fristentransformation seiner Schulden gegenüber dem EFSF/ESM[15] mit Rückzahlungsfristen bis 2040 und der EZB[16] von 2028 bis 2058 aushandeln können. Man wird nicht überrascht sein, wenn sich dies auch bei den anderen Krisenländern analog wiederholen sollte. Panta rhei[17] lautet hier wohl die Devise oder um es im new speak der Politik auszudrücken, man fährt auf Sicht im Nebel der Schuldenkrise. Die Deckelung der Haftungssumme Deutschlands durch die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts[18] wird so am Ende zur Farce. Die Kraft des Faktischen gegenüber dem Normativen wird am Ende auch diese Barriere durchbrechen.

Man kann sich daher des Eindrucks jedenfalls nicht erwehren, dass die viel zitierte Budgethoheit der nationalen Parlamente bereits jetzt nur noch Symbolcharakter hat. Die Politik der Regierungen der EU, der EU-Kommission und der EZB haben diese bereits durch ein komplexes System von Zweckgesellschaften [19]– nicht unähnlich den Privatbanken – systematisch untertunnelt.

Ein seriöser Schuldentilgungsplan – wie ihn jeder Häuslebauer kennt – sieht anders aus.


[5] PIIGS – Portugal, Irland, Italien, Griechenlands, Spanien.

[15] CAG (2012), Report on the accounts of the public services 2011, Comptroller and Auditor General, Government of Ireland, Dublin, 2012.

[16] FAZ (2012), Schuldenkrise Irland bekommt 25 Jahre Zahlungsaufschub, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 2. Februar 2013.

Merkel zum ESM-Urteil: Ein guter Tag für Deutschland und Europa?

Selten ist eine historische Wende zu einem kollektiven Schuldenstaat so verdreht in der Öffentlichkeit kommuniziert worden. Das Bundesverfassungsgericht hat nur Auswüchse bei der Verabschiedung der Zustimmungsgesetze zum ESM/Fiskalpakt beseitigt und die Verantwortlichkeit für alle Budget-Entscheidungen dem Deutschen Bundestag erneut zugewiesen. Versuche der Politik das Budgetrecht und damit auch die Rechenschaftspflicht gegenüber den Bürgern anderen Institutionen wie der Bundesregierung, dem Gouverneursrat des ESM, etc. zuzuweisen, wurden als verfassungswidrig zurückgewiesen. Des Weiteren wurde eine klare völkerrechtsverbindliche Deckelung der Haftungssumme beim ESM für Deutschland zur Voraussetzung für das Inkrafttreten der beiden Gesetze gemacht. Das Bundesverfassungsgericht hat nicht über Sinnhaftigkeit des ESM-Instruments oder des Fiskalpaktes ein Urteil gefällt. Die politische Verantwortung für diese Entscheidungen liegt bei den Parlamentariern des Deutschen Bundestages und der Bundesregierung, die durch sie bestellt ist. Die Organe der EU haben darüber hinaus die Deutsche Verfassung zu achten, d.h. es steht nicht in der Macht der EU-Kommission, noch des Europäischen Rates oder gar der EZB die Deutsche Verfassung außer Kraft zu setzen. Soweit ein solcher Versuch unternommen wird, ist dieser aus Sicht des Bundesverfassungsgerichts für Deutschland rechtsunwirksam und binde Deutschland völkerrechtlich nicht. Das sind vernünftige Klarstellungen, die im politischen Prozess sowohl von verschiedenen Institutionen der EU, der Bundesregierung und in den Medien immer wieder in Frage gestellt werden. Dem Wildwuchs verfassungsgemäße und damit rechtsstaatliche sowie demokratische Regeln zu missachten ist das Gericht damit entschlossen entgegengetreten. Das scheint jedoch nicht in allen Köpfen angekommen zu sein, die gerne weiterhin die deutsche Verfassung aushöhlen würden.
Das Bundesverfassungsgericht untersucht Vertragstreue der EZB
Das Hauptverfahren im Rahmen der vorliegenden Verfassungsbeschwerden einschließlich der Klage gegen die EZB ist jetzt eröffnet worden. Zentraler Gegenstand ist offenbar jetzt die Klärung der Frage, ob die von Mario Draghi verkündete Selbstermächtigung der EZB Staatsanleihen unter bestimmten Kautelen von Krisenstaaten der Eurozone in unbegrenzter Menge ankaufen zu wollen, aus Sicht der deutschen Verfassung verfassungswidrig ist. Die Bedenken gegen dieses Vorgehen sind bereits mehrfach von den führenden Vertretern der Bundesbank wie Jens Weidmann und Axel Weber gegenüber der EZB zu Protokoll gegeben worden. Ebenso haben sich die ehemaligen Mitglieder des EZB-Direktoriums wie Jürgen Starck und Otmar Issing gegen solche Maßnahmen ausgesprochen, d.h. von den führenden Vertretern der Bundesbank und der EZB bis zu ihrem Ausscheiden wird der Versuch von Mario Draghi mit Unterstützung der anderen Mitglieder des Direktoriums sowie den Präsidenten der nationalen Zentralbanken – wie gesagt mit der Gegenstimme von Jens Weidmann – als rechtswidrig angesehen. Der einzige deutsche Vertreter im Direktorium der EZB, Jörg Asmussen , hat hingegen für den Draghi-Plan gestimmt. Es könnte daher hier für Draghi & Co einschließlich der Bundesregierung insbesondere die Kanzlerin und ihren Finanzminister noch eine böse Überraschung geben.
Ein guter Tag für Deutschland?
Es ist geradezu absurd, wenn gestern die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts als guter Tag für Deutschland von der Kanzlerin stilisiert wurde. Schließlich sehen wir es nüchtern gehen die deutschen Steuerzahler ein zusätzliches Haftungsrisiko von 190 Mrd. Euro ein. Noch nie zuvor in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland sind schlagartig mit einer einzigen Entscheidung die Staatschulden oder derzeit noch Haftungsrisiken in die Höhe getrieben worden. Man muss schon blind für die Risiken sein, wenn man der Öffentlichkeit und den Wählern in Deutschland erklärt, dass es damit die Sicherheit des Landes erhöht hat. Das Risiko des Zahlungsausfalls im ESM ist gewaltig. Man muss sich nur die Ratings zur Bonität der potentiellen Empfängerländer wie Griechenland, Portugal, Irland, Spanien, Italien, Zypern und Slowenien ansehen. Aber Ratings von Ratingagenturen wurden ja im Zuge der Staatsfinanzkrise als irrelevante Indikatoren außer Kraft gesetzt. Offenbar sehen es aber die Märkte anders. Sonst wären ja die Zinsaufschläge zu den deutschen Bundesanleihen nicht so weit nach oben geschnellt. Aber auch hier wird ja mit dem Buhmann Spekulation der Markt als adäquate Informationsquelle für das Kreditausfallrisiko außer Kraft gesetzt. paradoxerweise will die Politik einerseits ständig die Märkte ruhig stellen, d.h. die Politik dient den Interessen der Marktakteure, andererseits wird ihnen Irrationalität und sozialschädliches Verhalten in Form von Spekulationsattacken unterstellt. Der deutsche Steuerzahler ist daher zum Spielball von zweierlei Zockern geworden. Einerseits die Regierungen der Eurozone plus die EU-Organe auf der einen Seite und auf der anderen die großen Marktakteure einschließlich ausländischer Regierungen wie die USA oder China, die entsprechend ihren spezifischen Interessenlagen die Kapitalströme in oder aus den Ländern der Eurozone steuern. Der Merkel Put und der Draghi Put sind ja nichts anderes als Wetten darauf, dass man die tieferen Taschen im Pokerspiel um die Eurozone besäße. Um die potentiellen Gegner im Pokerspiel abzuschrecken, versucht man es mit einem Bluff. Man erklärt einfach in unbegrenztem Maße Mittel zu Verteidigung der Eurozone setzen zu wollen. Wie aber auch im Pokerspiel können die Gegenspieler die Kanzlerin und Draghi dazu zwingen diese Ankündigung auch wahr zu machen. Es kommt dann gewissermaßen zum Margin Call für die Wetten, wenn die vorhandenen Finanzmittel nicht mehr ausreichen sollten. Derartige Versuche sind zuletzt eindrucksvoll bei einer spekulativen Attacke gegen das britische Pfund gescheitert. George Soros konnte so viel Liquidität kurzfristig gegen die Bank of England mobilisieren, dass sie ihrer Verpflichtung das britische Pfund innerhalb der Bandbreiten der ECU-Schlange zu halten nicht mehr nachkommen konnte. Sie scheiterte und George Soros war um rund eine Milliarde britische Pfund reicher. Diesmal geht es nicht um eines Wechselkurswette in Form eines Optionsgeschäfts, sondern um eine Zinswette. Die EU-Organe, die Regierungen der Eurozone sowie die EZB behaupten sie könnten die Zinssätze der Krisenländer dauerhaft soweit nach unten manipulieren, dass sie den Refinanzierungsbedarf dieser Länder vollständig und zu jeder Zeit decken könnten.
Warum ist das ein riskantes Geschäft? Nun es befinden sich ja weiterhin zu großen Teilen Staatsschuldverschreibungen der Krisenländer in der Hand privater Gläubiger weltweit. Werden diese innerhalb kurzer Zeit zum Verkauf angeboten, dann fallen die Kurse für diese Staatschuldverschreibungen rasant und gleichzeitig steigen die Zinsen für die Papiere. Sollen aber diese Zinsen unterhalb einer bestimmten Oberschranke gehalten werden, dann müssen der ESM und/oder die EZB diese Papiere zu höheren Kursen abkaufen. Damit findet ein massiver Risikotransfer von den privaten Anlegern auf die staatlichen oder EU-Organe statt. So hält allein wegen der zurückliegenden Anleihekäufe der EZB für die Krisenstaaten Griechenland, Portugal und Irland, die EZB 38 Prozent der gesamten griechischen Staatsschulden. Der Rest befindet sich beim EFSF, d.h. de facto hat ein kompletter Schuldenswap zwischen privaten Gläubigern und öffentlichen der Eurozone zu äußerst günstigen Konditionen für die privaten Gläubiger stattgefunden. Das gleiche könnte sich jetzt bei den beiden großen Krisenländern Spanien und Italien wiederholen. Zweifeln weiterhin die privaten Anleger an der langfristigen Bonität der beiden Staaten, werden sie ihre Forderungen an den ESM und die EZB verkaufen. Gleichzeitig bedeutet das jedoch keineswegs, dass sie dafür nun Eurobonds des ESM erwerben wollen. Sie können ihr Kapital in anderen Währungen und Teilen der Welt investieren. Bereits jetzt sind rund 600 Mrd. Euro in den zurückliegenden beiden Jahren aus den GIIPS-Staaten in Form einer massiven Kapitalflucht abgeflossen. Die Hoffnung der Euro-Retter ruht nun allein darauf, dass man hofft durch die umfangreichen Garantien für diese Krisenländer in Form von Haftungsübernahmen wie Deutschland das Vertrauen der privaten Anleger wie herstellen zu können. Das kann jedoch eine gefährliche Fehlspekulation sein, denn Einigkeit besteht grundsätzlich darin, dass das Vertrauen in dieser Länder nur herzustellen ist, wenn diese grundlegende Strukturreformen umsetzen und auf einen nachhaltig stabilen Wachstumspfad zurückkehren können. Mithin kann das Vertrauen der privaten Anleger weniger von den Haftungsübernahmegarantien von ESM und EZB abhängig sein, sondern von der Fähigkeit dieser Länder sich grundlegend zu reformieren. Scheitert dies oder bleiben die massiven Zweifel in die Reformfähigkeit dieser Länder bestehen, dann werden die Garantien des ESM und der EZB nur dazu genutzt sich jetzt rasch noch zu besonders günstigen Konditionen aus diesen Ländern zurückzuziehen. Statt die Kapitalflucht zu stoppen könnte sie sich bei Fortbestehen der Vertrauenskrise weiter beschleunigen. Dies löst sogar noch einen Ansteckungseffekt der Länder aus, dies mit ihren Garantien für die Krisenländer gebürgt haben, denn sie müssen ja jetzt die Bürgschaften einlösen, d.h. sie tragen das Kreditausfallrisiko der Krisenländer. In der Bail-in/Bail-out-Logik sind die privaten Anleger weltweit fein raus und die Mitgliedsländer der Eurozone plus der EU-Organe sitzen in der Tinte, d.h. tragen die Verluste der Staatspleiten und Umschuldungen.
Ergo: das war gestern kein guter Tag für Deutschland und Europa. Er eröffnet stattdessen den Weg in den noch größeren Finanzkollaps.

Deutschlands Weg in die Schuldenfalle

Solidarität ist gut, aber Selbstzerstörung ist unverantwortlich. Die deutsche Politik scheint diesen Unterschied immer weniger zu begreifen. Man schlägt alle Warnungen wegen einer drohenden Finanzkatastrophe aufgrund des Eintritts in eine Schuldenunion in den Wind. Man redet sich durch Vertragskonstruktionen beim ESM und Fiskalpakt die Welt schön. Dabei blendet man alle Erfahrungen mit den vergangenen Vertragskonstruktionen zur Wirtschafts- und Währungsunion aus. Beim nächsten Mal wird  Alles besser? Wer nicht auf den Fehlern der Vergangenheit lernen will, der wird die gleichen Fehler wieder und wieder begehen. Man versteht die Ursache des Scheitern in der Vergangenheit nicht, weil man die unterschiedlichen Einstellungen und Motive zu den Verträgen der einzelnen Vertragspartner nicht zur Kenntnis nehmen will. Pacta sunt servanda? Das glaubt doch kein Mensch mehr nach der sanktionslosen Außerkraftsetzung der scheinbar zwingend bindenden Verträge wie beispielsweise der No-Bail-Out-Klaus des Artikels 125.  Man interpretiert das scheinbar eindeutige Recht entsprechend den jeweiligen politischen Bedürfnissen neu um, so dass am Ende das Gegenteil dessen dabei herauskommt was ursprünglich gemeint war.

Rhetorik ersetzt Gesetzestreue

Damit wird aber das Rechtsbewusstsein an die Gültigkeit von Verträgen nachhaltig untergraben. Wenn es straflos möglich ist, zentrale Kernelemente von rechtverbindlichen Verträgen aufgrund der Opportunitätsüberlegungen der jeweils politisch Mächtigen ihren jeweiligen  Interessen gefügig zu machen, dann verliert das Recht und Gesetz als Grundlage für Rechtssicherheit seine konstitutive Bedeutung. Was wäre denn gewesen, wenn man die Magna Charta[1] nach dem jeweiligen Bedarf der Herrscher Englands ratzfatz immer wieder in seinen Grundelementen neu interpretiert, d.h. außer Kraft gesetzt hätte? Hätte sie dann die Bedeutung in der Verfassungsgeschichte erlangt, die ihr aufgrund ihrer Rechtsverbindlichkeit zugekommen wäre? Wenn die Herrschenden sich das Recht und die Gesetze soweit unterwerfen, dass sie beides ihren jeweiligen politischen Opportunitäten dienstbar machen, dann ist das Ende des Rechtsstaats nicht mehr weit. Wofür Bürgerrechtler in totalitäten System wie AI Weiwei unter Einsatz ihres Lebens und ihrer persönlichen Freiheit kämpfen, wird offenbar in einer saturierten Gesellschaft ohne viel Federlesen zur Disposition gestellt. Der Parteienstaat mit seiner repräsentativen Demokratie maßt sich an, dass er kompetenter als die Mehrheit der Bevölkerung und gegen die bestehender Verfassung urteilen kann und letztere außer Kraft setzen dürfe. Ein Volksentscheid in konstitutiven Fragen – und die Budgethoheit des Parlaments gehört wie das Bundesverfassungsgericht immer wieder betont hat dazu – wird als verzichtbar angesehen, weil der Souverän, d.h. die wahlberechtigten, Bundesbürger die Weisheit ihrer poltischen Klasse nicht verstehen. Nicht der Bürger ist das Maß aller Dinge, was die konstitutionellen Fragen unserer Gesellschaft angeht, sondern ein kleiner Kreis von Spitzenpolitikern die – derzeit sogar Ländergrenzen übergreifend – eine neue Verfassung untereinander ausmauscheln. Dabei hat jeder der Beteiligten so seine hidden Agenda. Man stimmt aufgrund taktischer Überlegungen, aber ohne innere Überzeugungen Regelungen wie dem Fiskalpakt und dem ESM zu, da man implizit schon damit rechnet, die dort getroffene Regelunge später erneut wieder außer Kraft setzen zu können. Corriger la Fortune, sagt schon im vorrevolutionären Frankreich die Spieler am Hof.

Das Lehrstück Griechenland und die Troika

Die Entwicklung Griechenlands in die Staatspleite ist ein anschauliches Lehrstück dafür, wie solche Prozesse ablaufen. Auch hier wurden kurzfristig immer wieder Lösungen zusammengezimmert, die sich als unmöglich umzusetzen erwiesen. Trotzdem wurde jedes Mal im tiefsten Brustton der Überzeugung der erstaunten Öffentlichkeit suggeriert, dass mit diesem Rettungsschirm, Rettungspaket Alles besser werden würde und alle Probleme dauerhaft geöst sein. Zumindest wollte man immer eine mehrjährige Ruhepause erreichen, die der jeweiligen griechischen Regierung geben sollte, die Wende zum Besseren zu erreichen. Jedes Mal zeigt sich innerhalb weniger Wochen oder Monate, dass diese großartigen Pläne reine Luftschlösser waren, die auf dem Papier zunächst plausibel in der Realität jedoch nicht als durchsetzbar erwiesen. Die gleichen griechischen Politiker, die diese Vereinbarungen gemeinsam mit dem griechischen Parlament unterschrieben und damit Gesetzeskraft verliehen hatten, hintertrieben sogar vorsätzlich deren  Implementierung oder man überließ es einer dysfunktionalen Verwaltung diese umzusetzen.

Am Ende stand immer das Scheitern. Die Ursachen waren auch unübersehbar. Die breite Masse der Bevölkerung verweigerte sich den Plänen der Troika und der griechischen Regierungen. Letztere versteckte diese sich hinter der Troika und nutze dies zu einem augenzwinkernden Doppelspiel. Man gab den jeweiligen Wählern zu verstehen, dass man nur der Form halber auf diese Vereinbarungen eingegangen sei, aber selbst nicht an ihrer Durchsetzung festhalten wolle. Es sei eben ein notwendiges Übel, um den Geldfluss aus den Geberländern und dem IWF sicherzustellen. Solange also die Geberländer zahlungswillig bleiben, obwohl sich im Kern in Griechenland nichts ändert, solange wird auch dieses Spiel weitergehen.

Da sich die Geberländer vor den letzten Konsequenzen eines Rausschmiss Griechenlands scheuen, gibt es keinen Anlasse für die griechische Regierung nicht weiter auf Zeit zu spielen. Zugleich läuft eine große Propagandawelle des Patriotismus der Griechen gegen fremde Einmischung. Geld ja, Einmischung nein. Unter diesem Motto könnte man die gesamte Geschichte der griechischen EU-Mitgliedschaft zusammenfassen. Souveränität ja, Gegenleistungen, die die maroden Strukturen Griechenlands grundlegend modernisieren, nein. In diesem Vexierspiel ist die ganze Rettungspolitik der griechischen Wirtschaft gefangen.

Die griechischen Eliten schaffen ihr Geld ins Ausland, der griechische Mittelstand räumt zumindest die Bankkonten und verschärft die Bankenkrise und man lässt die armen Griechen leiden. Sie dienen als Nachweis, dass die unverantwortliche Austeritätspolitik der Troika den Griechen nur Leid und Tränen gebracht hat. Die Heuchelei dabei, ist dass es eben die Eliten und der durchaus zahlungsfähige griechische Mittelstand ist, der sich einen fundamentalen Strukturwandel hin zu einer weniger korrupten Gesellschaft und funktionsfähigen institutionellen Rahmen verweigert. Das jetzige System ist eben ein fein austarierter Kompromiss zwischen den verschiedenen stake Holdern. Jede Änderung führt zu Verteilungseffekten, die die potentiellen Verlierer dazu ermächtigt eine Blockadepolitik zu initiieren. Dadurch werden Pyrrhussieg auf Pyrrhussieg errungen. Die Gesellschaft bleibt in ihren maroden Strukturen gefangen und das führt unter den derzeitigen Umständen zu einer Entsolidarisierung mit dem griechischen Staat. Jeder bringt nur seine Schäfchen ins trockene, schimpft auf die bösen Ausländer insbesondere die Deutschen und stimmt gleichzeitig patriotische Gesänge an. Mehr Heuchelei geht gar nicht.

Deutschlands Schuldkomplex

Nationalismus und Patriotismus sind nach den extrem negativen Erfahrungen aus Kaiserreich und Nationalsozialismus als Verhaltensmaßstäbe tabu. Leider ist dies eben ein deutscher Sonderweg. In der Mehrzahl der anderen europäischen Mitgliedsländer ist dies keineswegs der Fall. Dort war der Vorrang der nationalen Interessen gegenüber dem Gemeinwohl der EU keineswegs stigmatisiert. Man achtete peinlichst darauf; dass man seine nationalen Interessen wahrte auch wenn dies um den Preis der Schädigung des Gesamtinteresses der Fall war. In diesem asymmetrischen Setting wurde mittels Scheckbuchdiplomatie seitens der deutschen Regierungen durch entsprechende Transferzahlungen immer wieder kleine Fortschritte erkämpft. Während viele Länder je nach Interessenlage ein nicht-kooperatives Spiel der Verweigerungshaltung praktizierten, das nur durch Seitenzahlungen Deutschlands zu einem Minimalkonsens modifiziert werden konnte, entstand ein Gewohnheitsrecht, dass Fortschritte im Integrationsprozess immer wieder teuer von Deutschland erkauft werden mussten. Damit wurde der Traum der Vereinigten Staaten von Europa finanziert. Er wurde zur Ersatzreligion für den verbotenen Nationalismus. Deutschland hatte sich aufgrund seiner Schuld an den Weltkriegen einen Ersatzpatriotismus gesucht und gefunden. Der Europa-Patriotismus wurde zur Ersatzideologie. Die Deutschen insbesondere deren politische Eliten wollten immer guter Europäer und sogar Musterschüler in Sachen Europäischer Integration  sein.

Um diese Politik gegenüber der eigenen Bevölkerung zu legitimieren, wurde der Mythos geschaffen, dass Deutschland immer und jederzeit am meisten von der Europäischen Integration profitiert. Diese Selbststilisierung, Angela Merkel, ist derzeit wieder ein leuchtendes Beispiel dafür, wird natürlich dankbar in den Ländern aufgenommen, die weiterhin vorrangig ihre nationalen Interessen im Auge haben. Schließlich wenn dem so wäre, dann müsse eben Deutschland ja die anderen für seinen Vorteil kompensieren. Selbsttäuschung ist immer wieder der beste Weg, sich vor der Einsicht in die weniger schöne Wirklichkeit abzuschirmen. Glaube ersetzt Einsicht. Es wird auch damit zur Waffe gegen die Andersgläubigen die diesen Glauben in Frage stellen. Diese Ungläubigen Anti-Europäer werden zu Feinden Europas stilisiert, obwohl sie nur zu einer realistischeren Wahrnehmungd er bestehenden Gegebenheiten aufrufen wollen. Ideologien neigen eben zur Immunisierung gegen Kritik von außen oder der Einsicht in die realen Gegebenheiten. Je stärker der Druck der Realitäten wird, desto mehr wird der Widerstand gegen diese Realitäten mobilisiert in Form einer Realitätsverweigerung. Sozialpsychologen könnten hier ein Lied davon singen. Leider sind sie derzeit eben auch Feinde in der Welt der Rettungsideologen.

Deutschland als Supermann der Eurozone?

Seit Einführung des Euros war Deutschland ein unbeliebter Hegemon. Die deutschen Vertreter pochten immer wieder auf die Einhaltung der vereinbarten Regeln und Verträge. Umso größer war die Häme, als es auch dem Musterschüler Deutschland nicht gelang, das selbst gesetzten Ziel konsequent umzusetzen und auch in die Trickkiste greifen musste. Was im Prinzip richtig war, scheiterte auch hier am Willen der deutschen Politik diese auch konsequent durchzusetzen. Wer sich aber vom Paulus zum Saulus wandelt, wird dann leicht zur Zielscheibe des Spotts der anderen Sünder. Deutschland wurde schon sehr bald als Scheinriese und Hypokrit enttarnt und genüsslich vorgeführt.

Das moralische Dilemma jedes Moralpredigers ist, dass er sich an die eigenen Grundsätze halten muss. Jedoch hier hat die deutsche Politik immer wieder gesündigt. Damit öffnete man die Flanke für Kritiker, die diese Heuchelei jederzeit als Vorwand für die eigene Disziplinlosigkeit und vertragswidriges Verhalten heranziehen konnten. Auch wenn die Verstöße Deutschlands verhältnismäßig milde gegenüber den übrigen Schuldensündern ausfielen, reichte dies, eben die Ganze Disziplin der Vertragstreue in Frage zu stellen.

Zu dem litt Deutschland unter der Schmach der eigenen wirtschaftlichen Schwäche. Der Beitritt der bankrotten DDR entwickelte sich immer mehr zum finanziellen Albtraum der ehemaligen Bundesrepublik. Immer größere Beträge mussten an Transferzahlungen nach Ostdeutschland im Zuge des Solidaritätspakts geleistet werden, um den Kollaps der ostdeutschen Wirtschaft abzuwenden. Es war jedoch hier eine nationale Aufgabe, die als Ersatz für eine expansive Politik herangezogen wurde. Das dumme ist jetzt, dass nach rund zwanzig Jahren, die halbwegs erfolgreiche Integration der beiden Landesteile als Muster für die erfolgreiche zukünftige Integration Europas herangezogen wird. Man sitzt dem Irrglauben auf, dass man das gleiche für das ungleich schwierigere Problem einfach übertragen kann. Das dürfte jedoch gründlich schiefgehen. Die dafür erforderlichen  Summen über lange Zeiträume sind von Deutschland nicht zu schultern. Es wird ihm wie einem Gewichtheber gehen, der ein zu hohes Gewicht stemmen will. Er geht in die Knie und kann das Gewicht am Ende nicht stemmen und muss es deshalb fallen lassen.

Die Konsequenzen für die deutsche Staatsverschuldung ist absehbar. Seit Ausbruch der Finanzkrise in Griechenland ist Deutschland mit den anderen Ländern immer mehr Haftungsrisiken und direkte Schuldenübernahmen eingegangen. Bereits vorher hatte man auf nationaler Ebene den Bailout der deutschen Banken mit HRE, WestLB und Commerzbank an der Spitze geschultert.

Jetzt wurden mittels Rettungspaketen für Griechenland, Bailouts für Portugal, Irland  über den EFSF und dem jetzt anvisierten ESM immer größere Summen auf die Mithaftung der Deutschen übertragen. Jetzt stehen bereits Spanien und Italien als dritt- und viertgrößte Volkswirtschaft an der Schwelle, sich durch die anderen Mitgliedsstaaten retten zu lassen. Zypern will ebenfalls einen Antrag stellen. Die Fehlkonstruktion an beiden Rettungsfonds ist, dass die Pleitestaaten solidarisch als Gesamtschuldner für ihre eigenen Schulden haften sollen. Ein mehr als fragiles Haftungsmodell. Warnungen, dass dies im Krisenfall nicht funktionstüchtig ist, werden in den Wind geschlagen. Aus einer Kollektivbürgschaft kann so schnell eine gesamtschuldnerische Haftung werden, wenn sich die Pleitestaaten als zahlungsunfähig erweisen. Der dadurch entstehende Schock auf die deutschen Staatsfinanzen reicht vermutlich bereits allein aus, um die deutschen Staatsfinanzen außer Kontrolle geraten zu lassen.

Hinzu kommt, dass die Bundesregierung, leichtfertig ihren Einfluss auf die EZB aufgegeben hat. Nachdem dem Rücktritt von Axel Weber und Jürgen Stark als Bundesbankpräsident und als Mitglied des Direktoriums, hat man darauf verzichtet, seinen Einfluss zur Aufrechterhaltung der geldpolitischen Disziplin einzusetzen. Direkte oder auch indirekte Staatsschuldenfinanzierung durch Aufkäufe von Staatsschuldverschreibungen auf dem Sekundärmarkt, durch Bazookas und dicke Bertas verschleiern nur den Tatbestand der Staatschuldenfinanzierung durch die einstmals unabhängige Notenbank.

Hinzu kommt, dass mit der Einführung des Target2-Systems ein Selbstbedienungsladen zur Refinanzierung von Leistungsbilanzdefiziten der Mitgliedsländer geschaffen wurde, dass völlig außer Kontrolle geraten ist. Die EZB-Führung sieht tatenlos dieser Entwicklung zu und erklärt das Ergebnis als höhere Strategie seiner Krisenpolitik. Absurder geht’s nicht.

Trotz all dieser Refinanzierungskanäle müssen die Krisenländer noch via ELA einen  Teil ihrer Finanzierungsdefizite abdecken. Es zeigt des ganze Ausmaß des Kontrollverlusts innerhalb der Eurozone. Der Eimer der Staatsfinanzen hat viele Löcher aus denen die Finanzmittel in dunkle Kanäle versickern und niemand rührt einen Finger diese zu stopfen und in geordnete Bahnen zu lenken.

Was nützt also der gelungene Wirtschaftsaufschwung Deutschland nach 2008, wenn die nationale Konsolidierung durch die Destabilisierung der Off-Balance-Sheet-Operationen im Zuge der Eurorettung der Bundesregierung konterkariert wird? Die Bilanz wird am Ende so oder so konsolidiert werden müssen, dann zeigt sich das ganze Desaster der irrwitzigen deutschen Wirtschafts- und Finanzpolitik. Die Finanzmärkte werden ihre Schlüsse daraus ziehen und entsprechende Konsequenzen in Form rasant steigender Refinanzierungskosten von der Bundeschuldenverwaltung sowie den diversen Europäischen Rettungsfonds ziehen. Die Rechnung einer Haftungs- und Schuldengemeinschaft geht am Ende nicht auf. Deutschland wäre nicht der erste Bürge und Gläubiger, der nicht nur einen Teil seines Vermögens verliert, sondern am Ende den eigenen Bankrott mit diesen Maßnahmen eingeleitet  hat. Die Politikerkaste wird sich dann darauf berufen, dass man das alles nicht gewusst hätte und nicht hätte vorhersehen können. Diese Kollektivlüge soll sie vor dem Urteil der Bürger schützen. Aber auch hier könnte man sich am Ende getäuscht haben. Die düpierten Bürger werden weniger gnädig mit ihren Volksvertretern abrechnen, die für ihr Desaster verantwortlich sind. Deutschland war nie ein Supermann, seine Entzauberung steht unmittelbar bevor.

Eurokrise: konsequent inkonsequent

Die Eurokrise zeichnet sich von allen Seiten durch konsequent Inkonsequentes Handeln aus. Griechenland hat zum zweiten Mal innerhalb von sechs Wochen gewählt. Die Nea Dimokratia[1] (ND) des Adonis Samaras[2]  hat offenbar die meisten Stimmen erzielt und zieht mit 129 Abgeordneten ins griechische Parlament ein. Die Linke Syriza[3] kam auf Platz zwei unter Alex Tsipras[4] und wird mit 71 Abgeordneten Dabeisein.  Auf dem dritten Platz folgt. Die Pasok[5] unter Evangelos Venizelos[6] mit 33 Sitzen im Parlament. Gegenüber der letzten Wahl hätte das Bündnis aus Nea Dimokratia und Pasok jetzt eine Mehrheit mit 162 Stimmen zu 140 Stimmen gegenüber der letzten Wahl. Im griechischen Parlament gibt es 300 Abgeordnete. Dabei ist aber zu bedenken, dass der komfortable Vorsprung der Nea Dimokratia nur auf einer Absonderlichkeit des griechischen Wahlrechts beruht, die der stärksten Partei einfach so nochmals 50 Parlamentsplätze extra zugesteht. Ohne diese gäbe es keine Mehrheit im Parlament. Von einer breiten Unterstützung für die Reformpolitik der bisherigen Regierungskoalition kann also keine Rede sein.  Vergleicht man den Zuwachs der Syriza mit plus 19 Sitzen gegenüber dem Zuwachs aus der potentiellen Koalition aus Nea Dimokratia mit plus 21 und  -8 für die Pasok, dann hat die radikale Linke relativ deutlich gegenüber dem Bündnis ND/Pasok im Parlament an Gewicht hinzugewonnen. Mithin ist der angebliche Sieg nur ein Pyrrhussieg[7]. Die Griechen haben ja zum Euro, aber nur zu ihren Bedingungen gesagt. Darin sind sich übrigens alle drei Parteien und die griechische Bevölkerung einig. Euro ja, aber ohne harte Reformen. Eigentlich wussten wir das schon vorher. Hinzu kommt, das die Pasok sich nur an der Regierung beteiligen will, wenn die Syriza sich auch daran beteiligt. Mithin gilt: Same, same not different. Es hat sich an der Haltung der Griechen wenig zur letzten Wahl geändert. Konsequent inkonsequent eben.

EU-Kommission schlingert ebenfalls

Von den klaren Votum der Griechen zum Euro und zum bestehenden Sparpaket besteht derzeit keine Spur. Trotzdem wird dieses Wahlergebnis als Erfolg seitens der Europäischen Spitzenpolitiker der EU-Kommission und der einzelnen Mitgliedsländer umgedeutet. De Anfang macht bereits schon Jean-Claude Juncker[8], der unselige Vorsitzende der Euro-Gruppe, Bevor überhaupt in Griechenland die Wahllokale geöffnet hatten, erklärte er, dass man über das Sparpaket nach der Wahl noch verhandeln könnte. Um das Umfallen der EU gegenüber den Griechen zu kaschieren, wurde nur etwas über längere Fristen gemurmelt. Dabei wird es aber am Ende nicht bleiben. Bereits jetzt ist klar, Griechenland wird nicht nur mehr Zeit zugestanden bekommen, sondern es werden noch zusätzlich Mittel nach Griechenland unter dem Vorwand man müsse das Wachstum dort stimulieren fließen. Mithin werden sich nicht nur die Fristen bei der Umsetzung des Sparpakets änder, sondern auch das Volumen der Transferzahlungen an Griechenland wird sich weiter erhöhen. Jetzt werden die Nettoeinsparungen mittels zusätzlicher konjunkturstützender Maßnahmen gesenkt werden und gleichzeitig neue Zahlungen eben aus dem sogenannten Wachstumspaket fällig. Statt Austritt/Rausschmiss der Griechen aus der Währungsunion werden sie weiterhin auf der Intensivstation mit wenig Aussicht auf Erfolg gepäppelt. Da dieser Fall 4exemplarisch für all die anderen Krisenländer wie Irland, Portugal, Zypern, Spanien, Italien und demnächst wohl auch noch Frankreich steht, ist die Agonie der Währungsunion vorgezeichnet. Hans Werner Sinn schätzt die Lage in seinem letzten Beitrag in der FAZ[9] völlig realistisch ein. Die Politik wird weiter wursteln, um sich um grundlegende Reformen herumzudrücken. Die Lage ist noch nicht ernst genug. There is still plenty of room at the bottom. Erst der ungeordnete Kollaps der Eurozone wird diesem unsäglichen Treiben der Politik jedweder Couleur ein katastrophales Ende setzen. Die Folgen werden wir dann alle zu spüren bekommen.

Too-Small-To-Survive: The need for further economic integration

There has been much talk about the Too-big-to-fail issue of commercial banks after the global financial and economic crisis. Systemic relevant banks could not go bankrupt because of the severe systemic consequences for the whole global economy. The default of Lehmann Brothers has become the example why large banks need a guarantee that they would be saved in case of a major financial market crisis. As a consequence a list of SiFi-Banks[1] was agreed upon by the G20-countries. However, this created a moral hazard problem. Banks with SiFi-status could now rely on a bail-out in case they run into trouble and facing the risk of default. Market discipline is substituted by sovereign guarantees. Lots of countries with oversized financial markets had to pay dearly for such a bail-out.

Iceland                                

The first victim was Iceland.[2] Icelandic commercial banks started to run global financial market operations ignoring the potential default risk and the impossibility of such a small economy to bail-out their commercial banks in time of crisis. In particular running huge financial operations in foreign currencies made it impossible for the Icelandic central bank to act as lender of last resort. It illustrated to the global community the vulnerability of a small economy with an oversized banking industry. Their banks were too-big-to-fail, but the home country is too-small-to-survive. Without external support the Icelandic economy was doomed to default.

Ireland

The evil twins of a small economy with an oversized financial sector repeated again in the case of Ireland. Ireland a once fairly backward economy started its rise by operating an on-shore industry in particular of foreign multinational countries seeking access to the European common market. Furthermore Ireland as well became an on-shore weakly regulated financial center in the Euro-zone. Again this became a fatal risk when the global financial market crisis spilled-over to the Euro-zone countries. Since the Maastricht Treaty explicitly in article 95 ruled out a bail-out of any member country in case of crisis the Irish government hastily tried to bail-out their distressed financial sector running instantly a bizarre public deficit of more than 34 percent in 2009. Ireland would have defaulted immediately after that without external help from the other Euro-zone countries.[3] Again the principle of a too-big-to-fail commercial sector combined with the too-small-to-survive country size was illustrated. It could happen again at an even bigger size.

The UK

The UK followed its ambition to become with London City the global top player in the financial sector industry. However, this poses severe challenges to the British economy. Staying outside the Euro-zone it faces the same fundamental weakness like Iceland. In case of the outbreak of another global financial market crisis the Bank of England would be inept to bail-out their commercial banks. Even if Britain managed to stay out of the focus of the global financial market investors as a potential crisis spot, the financial fragility of Britain prevails. May be that the global financial market investors of hedge funds, private equity or conduits of international investment banks shy away to test the capability of the British government to bail-out the system, not at least because they have their residence in the London city, this might change when creditors from the BRICS-countries much less dependent would become skeptical about the stability of the British financial system.

Switzerland

A similar risk is facing Switzerland who as well lived for quite some time well as a global financial center and safe haven for foreign capital which attempted to avoid taxation at home or even had an ambiguous background and were looking for opportunities of money laundering. Again Switzerland with its own currency but commercial banks operating globally in foreign currencies would face immediate default in case of a major crisis of confidence in the Swiss financial sector. Even such a rich country like Switzerland could not bail-out their financial sector in case of a major systemic crisis. It is no accident that the Swiss government enacted much more restrictive regulations of their commercial banks than were agreed upon internationally in the Basel III-agreement. The Swiss know all too well that they should never become a target of global speculators that their banks are overexposed to international financial market risk and would need a bail-out.[4] The Swiss economy is already suffering from the global safe haven status which drives up the Swiss Franc opposite the other currencies in particular the Euro. This forces the Swiss National Bank to intervene at the currency market to keep the Swiss Franc exchange rate below the threshold level of 1.20 exchange rates opposite the Euro. Otherwise the real economy of Switzerland would begin to fall into deep recession because it is heavily export oriented.

What’s the lesson to be learned?

A small country cannot attempt to stay a global financial market player with a commercial banking sector including bank too-big-to-fail banks. It cannot overcome the intrinsic vulnerability of the too-small-to-survive in the case of a global systemic financial market crisis. Therefore there are two alternative ways out of the problem.

First shrink the national commercial banking sector to get rid of the SiFi-banks or integrate with other countries to reach a size to survive such a major systemic financial market crash. At the moment it seems that those countries in danger try to avoid such major institutional reforms. They live on the illusion that such a day of reckoning may never happen soon so that this vulnerability will never be tested. But this failure to rapidly establish new safe global financial market architectures may make such an event much more likely to occur soon as is currently believed.

It could become a traumatic awakening when the Minsky moment[5] strikes again. Greater economic integration would become a necessity and not an option any more. Otherwise the global financial market integration would rapidly disintegrate. The time for free riders in an instable global financial market economy is running out.

Fiskalunion: Zwischen Anspruch und Wirklichkeit

Auf dem gestrigen Treffen des Europäischen Rats wurden weitere Schritte zur Fiskalunion eingeleitet.[1] Das Lockmittel ist der Zugang zu den Eurofonds EFSF und ESM. Darum können diese gar nicht groß genug sein.[2] Dem Zuckerbrot, Geld aus Brüssel via ESM, steht die Peitsche, Fiskalunion, gegenüber, die fiskalische Disziplin fordert. Da passen aber die jüngsten Nachrichten aus Spanien und den Niederlanden nicht ins rosarote Bild. Spanien hat die Defizitziele im Jahr 2011 deutlich verfehlt.[3] Dito die Niederlande.[4] Griechenland, Portugal und Irland dürften auch kaum ihre Ziele erreichen. Frankreich könnte genauso scheitern. Mithin zwischen Wunsch und Wirklichkeit klafft eine gewaltige Lücke, aber … „the show must go on“. Die EU ähnelt immer mehr dem übergewichtigen Fresssack, der morgens seine guten Vorsätze fasst, und, der am Abend überrascht feststellt, dass er wieder gescheitert ist. Bemerkenswert auch dem Umstand, dass SIlvion Berlusconi bereits an dem Treffen, wenn auch im Hintergrund teilnahm. Es zeigt, dass Mario Monti eigentlich nur eine Marionette ist. Berlusconi zeiht die Strippen und Monti tanzt.

Merkel steuert in die Europäische Transferunion und hält krampfhaft an ihrer Illusion der Stabilitätsunion fest. Für sie ist das eben alternativlos.