Bundeshaushalt: Von schwarzen und roten Nullen

Kaum ist der weltweite Konjunkturhimmel eingetrübt, geht sofort die Debatte über Konjunkturprogramme los. Die verschiedenen Vertreter überschlagen sich, um neue schuldenfinanzierte Programme der Staaten zu fordern. Weil der Bundesfinanzminister für das kommende Jahr einen Haushaltsentwurf vorgelegt hat, der zum ersten Mal seit Jahrzehnten keine Neuverschuldung vorsieht, die sogenannte schwarze Null , wird wegen der Absenkung der Wachstumsperspektiven in diesem Jahr laut Gemeinschaftsdiagnose der führenden Wirtschaftsforschungsinstitute das Wirtschaftswachstum 1,3% und im kommenden Jahr vermutlich 1,2% betragen. Dabei ging Wolfgang Schäuble noch von deutlich höheren Wachstumsraten in diesem und im kommenden Jahr aus. Nun hat auch die Bundesregierung ihre Wachstumsprognose für dieses Jahr auf 1,2% und für 2015 auf 1,3% gesenkt. Mithin dürfte Schäubles schwarze Null nur noch Erinnerungswert haben, da ja voraussichtlich auch die Steuereinnahmen im Zuge niedrigeren Wachstums geringer ausfallen werden, als bisher im Haushaltsplan der schwarzen Null erwartet worden war. Ob es dann letztendlich bei einer roten Null bleibt, oder das Defizit des Bundes im Jahr 2015 bereits aufgrund der automatischen Stabilisatoren höher ausfällt wird sich zeigen müssen. Man sollte jedenfalls bereits jetzt begründete Zweifel daran haben.
Mithin würde auch bei Beibehaltung des jetzigen Bundeshaushalts voraussichtlich ein Haushaltsdefizit zwangsläufig über sinkende Steuereinnahmen und Abgaben aufgrund der Konjunkturschwäche entstehen. Mithin ist die hitzige Debatte über schwarze oder rote Nullen ziemlicher Stuss. Die Frage bleibt nur bestehen, ob die Bundesregierung darüber hinaus auch noch aktiv Konjunkturmaßnahmen einleiten sollte.

Was wäre wenn?

Nun ist bei der derzeitigen Lage – soweit sie mit den Konjunkturprognosen dargestellt werden – keineswegs Panik angesagt. 1,2% bzw. 1,3% Wirtschaftswachstum für die deutsche Wirtschaft in diesem und im kommenden Jahr wäre alles andere als eine wirtschaftliche Katastrophe. Man erinnere sich daran, dass im vergangenen Jahr 2013 das Wirtschaftswachstum nur 0,7% betrug und niemand zu diesem Zeitpunkt nach Konjunkturprogramme für die deutsche Wirtschaft geschrien hat. Warum sollte bei einem doch deutlich höheren Wirtschaftswachstum laut Prognosen jetzt ein Zeitpunkt für Konjunkturprogramme gekommen sein?
Das Wachstumspotential der deutschen Wirtschaft ist sowieso nicht besonders hoch. Es ist ständig seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs rückläufig gewesen. Es lag für die zurückliegende Dekade 2000 bis 2009 nur noch bei jahresdurchschnittlich 0,9% (siehe Abbildung 1).

Abbildung 1

Chart-WachstumLaesstNachMithin würden die jetzt prognostizierten Werte für dieses und das kommende Jahr durchaus noch als überdurchschnittlich gegenüber dem langfristigen Wachstumstrend angesehen werden können.
Der Arbeitsmarkt ist weiterhin gemessen an der Arbeitslosenquote stabil und niedrig (siehe Abbildung 2).

Abbildung 2

Arbeitslosenquote
Mithin ist der derzeitige Status quo keineswegs Anlass für panikartige Reaktionen jetzt, wie einige Wirrköpfe bereits fordern, Billionen für neue Wachstumsprogramme aufzulegen.
Sicherlich kann sich die Lage noch deutlich schlechter entwickeln als sie derzeit erwartet wird, aber erst dann wäre auch der Zeitpunkt in Deutschland zum Handeln gekommen.
Gegen die Eintrübung der Weltwirtschaft ist aus Sicht Deutschland nur durch deutsche Konjunkturprogramme kaum ein Kraut gewachsen. Konjunkturlokomotive im Sinne von Helmut Schmidt für den Rest der Welt spielen zu wollen, wäre weitgehend sinnlos. Damals haben die Konjunkturprogramme à la Helmut Schmidt das Staatsdefizit um 20% des BIP nach oben getrieben. Der Impact auf die Weltwirtschaft war schon damals bescheiden, obwohl man damals noch nach den USA und Japan die drittgrößte Volkswirtschaft der Welt war.
Seither ist Deutschlands Bedeutung in der Weltwirtschaft immer weiter zurückgegangen. Jetzt liegt man gemessen am BIP ja bereits hinter China, den USA, Japan und Indien nur noch an fünfter Stelle. Von daher Wunder von Deutschland für die Weltwirtschaft erwarten zu wollen, ist einfach naiv und passt nicht in die relative Bedeutung Deutschlands für die Weltwirtschaft. Mithin kann und würde – egal wie – Deutschland nur einen marginalen Beitrag zu einem Stimulus der Weltwirtschaft beitragen können. Christine Lagarde mag ja „Germans to the front“ rufen , aber es ist kein guter Rat für die deutsche Wirtschaftspolitik der Bundesregierung.

Die deutsche Wirtschaftspolitik schwimmt ja jetzt schon seit fast sechs Jahren gegen den Strom der Schuldenmacher weltweit. Man hat die Gefahren einer ausufernden Staatsverschuldung für die eigene Wirtschaft früher als andere Länder erkannt und versucht seither einen explosiven Schuldenanstieg der öffentlichen Haushalte durch restriktive Haushaltsführung konsequent einzudämmen. Damit trifft man Vorsorge, um nicht, wie andere Länder bereits schmerzvoll erfahren mussten, in eine Schuldenfalle hineinzutappen, wenn es zu einer Vertrauenskrise der globalen Finanzmärkte und damit einhergehend zu einem drastischen Zinsanstieg am Kapitalmarkt kommt. Wie schnell sich die Lage eines Landes durch eine falsche Wirtschaftspolitik dramatisch verschlechtern kann, haben in der Eurozone die PIIGS-Staaten eindrucksvoll vorexerziert.
Ohne diese Politik der Bundesregierungen seit 2009 wäre die Eurozone bereits jetzt Geschichte, Ohne den Stabilitätsanker Deutschland wäre der Euro mit der derzeitigen Zahl der Mitgliedsländer nicht zu bewahren gewesen. Ob das sinnvoll war, wird die Zukunft zeigen, aber zeigt nachdrücklich, dass ohne das Vertrauen in die Solvenz und nachhaltige Finanzpolitik Deutschlands, alle anderen Länder der Eurozone kaum allein die Krise in der bisherigen Form hätten bewältigen können. Trotzdem gilt, dass Undank der Welten Lohn ist, d.h. Deutschland mit seiner Rolle als Musterknabe wird eher zum Prügelknaben der anderen, die gerne ihr eigenes Versagen ihre Wirtschaft durch umfassende Strukturreformen zu konsolidieren, durch Schuldzuweisungen an Deutschland kaschieren wollen. Offenbar hält sich weiterhin der Irrglaube, man könne durch unbegrenzte Geldschöpfung und Ausweitung der Staatsverschuldung gut leben. Alle Warnungen von Ökonomen wie Reinhardt und Rogoff, dass die Geschichte es immer wieder gezeigt habe, dass dies in einer Staatspleite endete, werden gerne geleugnet. Allerdings zeigt sich eben genau an den immer wieder ausbrechenden Vertrauenskrisen der Finanzmärkte, dass diese Legende von Schulden ohne Sühne an der Realität scheitert.
Mithin bleibt derzeit der Bundesregierung nur ein Weg, den sie unbeirrbar verfolgen sollte. Da die weltwirtschaftliche Lage derzeit labil ist, muss man auf Sicht steuern, d.h. vorsichtig sich auf mögliche negative Schocks von dort vorbereiten. Man sollte aber das Pulver eines Stimulus solange trocken halten, solange es nicht zu einem echten kräftigen konjunkturellen Einbruch kommt. Erst dann sollte entsprechend den dann gegebenen Umständen konsequent gehandelt werden. Jetzt ist dieser Zeitpunkt noch nicht gekommen.

Bankenunion: Auf dem Weg in die Zwangsehe

Wenn insbesondere aus islamischen Ländern, aber auch in Indien oftmals sogar noch Jugendliche von ihren jeweiligen Familienclans zwangsverheiratet werden, dann rausch es im deutschen Blätterwald und in der breiten Öffentlichkeit und man protestiert aus dem westlichen Moralverständnis gegen diese inhumane Praxis. Aufgrund dieser Zwangsehen kommt es ja dort auch immer wieder zu tragischen Zwischenfällen, denn die so miteinander vereinten, können mit ihrem neuen Ehepartner nicht glücklich zusammenleben. Da ihnen aber durch die bestehenden Clangesellschaft das Selbstbestimmungsrecht entzogen ist, droht eine humane Katastrophe. Auch in Europa war diese Praxis insbesondere bei den Eliten bis zu Beginn der Neuzeit durchaus Gang und Gäbe.
Geeintes Europa als Zwangsehe?
In Europa gibt es nun auch eine Elite, die sich ein vereintes Europa mit einem Zentralstaat als Ziel auf die Fahnen geschrieben hat. War zu Beginn noch eine breite Unterstützung für eine europäische Integration – Abbau von Zollschranken, Freizügigkeit und Abbau von Grenzkontrollen, etc. – vorhanden schwindet seit Jahren die Bereitschaft nationale Eigenheiten in der Form von Gesetzen, Institutionen wie eigenständigen Parlamenten, Verwaltungen, etc. auf einen europäischen Zentralstaat auf EU-Ebene zu übertragen. Wie auch in den USA wird die Kluft zwischen Brüssel und den Menschen der bisherigen Staatengemeinschaft immer größer. Die Freiheit der Selbstbestimmung auf nationaler, föderaler und kommunaler Ebene wird immer mehr zurückgedrängt. Das ursprünglich mit dem Subsidiaritätsprinzip etablierte Kriterium der Eindämmung eines immer mehr ausufernden Zentralstaates schrumpft de facto in diesem Prozess zu Bedeutungslosigkeit.
Nach dem Scheitern eine EU-Verfassung durch Volksentscheide in einigen Ländern wie Frankreich , die Niederlande und Irland zu legitimieren, versucht man nun seitens dieser Eliten den europäischen Zentralstaat ohne Plebiszit von oben durch die Regierungschefs der EU-Mitgliedsstaaten aufzuoktroyieren.
Konnte man bei der Währungsunion noch zunächst mit den damit entfallenden Transaktionskosten bei Reisen und Wirtschaftsbeziehungen innerhalb der Länder der Eurozone werben, schwand die Begeisterung rasch als der Sicherheitsanker der Maastricht-Kriterien für eine solide Haushaltsführung der einzelnen Mitgliedsstaaten trotz Maastricht-Vertrag Ratifizierung nicht eingehalten werden konnte. Pacta sunt servanda galt und gilt bis heute nicht mehr. Die Euro-Schuldenkrise war daraus die logische Konsequenz und dann eben auch praktische Konsequenz.
Damit entstand die vieldiskutierte Schuldenfalle. Die EZB als zentrale Institution für die Garantie der Preis- und Währungsstabilität wurde schlagartig zum Zentrum der Finanzkrise der Euroländer. Wegen schwerwiegender Mängel im Design des Währungssystems – zuletzt insbesondere durch die Einführung des Target 2-Systems – wurde das System der Zentralbanken mit der EZB als Clearingstelle zur Quelle unkontrollierter Defizitfinanzierung einzelner Länder zu Lasten anderer der Gemeinschaft.
Insbesondere Deutschland geriet als größte Volkswirtschaft der Eurozone als unfreiwilliger Kreditgeber für die PIIGS-Länder und auch weiterer Schuldnerländer hinaus, in die Rolle eines Zwangskreditgebers ohne erkennbare Haftungsobergrenze. Zwar hat das Bundesverfassungsgericht trotz massiven Widerstands der damals amtierenden schwarz-gelben Bundesregierung juristisch eine Haftungsobergrenze gesetzt, aber ob diese dann am Ende de facto auch eingehalten werden kann, darf füglich bezweifelt werden. Es gibt ja neben der faktischen Kraft des Normativen auch die normative Kraft des Faktischen. Letztere setzt sich rasch in Ausnahmesituationen gegenüber dem bestehenden Rechtsrahmen in der Regel durch. Not kennt kein Gebot, lautet dann die Devise.
Merkel Versuch einer Kombination aus Strukturreformen und Finanzhilfen ist de facto gescheitert
Wegen der rasant explodierenden Zinskosten der Krisenländer der Eurozone – nicht zuletzt auch wegen entstehender Erwartungen auf den globalen Finanzmärkten eines Zusammenbruchs der Eurozone – , aber insbesondere auch wegen der Reformunfähigkeit der Länder mit einer rasch expandierenden Staatsschuldenkrise, sollte durch ein Junktim aus Finanzhilfen gegen Strukturreformen zur Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit und fiskalischen Konsolidierung der Staatshaushalte eine nachhaltige Stabilisierung der Währungsunion erreicht werden. Durch die Errichtung eines europäischen Währungsfonds ESM sollte dieser und nicht die EZB diese Aufgabe analog dem IWF wahrnehmen. Für eine Übergangsphase sollte die Troika aus EZB, Europäischem Rat und IWF entsprechende Konsolidierungsprogramme im Dialog mit den jeweiligen Regierungen der betroffenen Krisenstaaten beschließen und anschließend durch einen klar definierten Zeitplan und Zielvorgaben implementieren. Diese Strategie kann als nachhaltig gescheitert angesehen werden. Insbesondere das Beispiel Griechenland zeigt eindrucksvoll, dass wegen mangelnder Bereitschaft der Regierung und einem umfassen Institutionenversagen bei der Durchsetzung von Konsolidierungsstrategien das Konzept am nachhaltigen Widerstand der Länder mit massiver Unterstützung der davon betroffenen Bevölkerung scheiterte. Dabei spielte auch eine entscheidende Rolle, dass die Lasten der Konsolidierung der Finanzkrise nicht etwa deren Verursachern wie Steuervermeidung und -hinterziehung der griechischen Eliten auferlegt wurden, sondern in der Regel den sozial schwachen durch Abbau von Sozialleistungen, die in der Wirtschaftskrise aufgrund der hohen Massenarbeitslosigkeit besonders stark in Anspruch genommen werden mussten. Die Verlierer waren und sind daher diejenigen Teile der griechischen Bevölkerung, die an dem korrupten System des griechischen Staates nur marginal Teilhaber waren. Damit fehlte den von der griechischen Regierung und der Troika beschlossenen Konsolidierungsprogrammen das entscheidende Element der sozialen Gerechtigkeit. Austerität zu Lasten der sozial Schwachen und Schonung der griechischen Eliten konnte als Konsolidierungsmodell nicht funktionieren, sondern stürzte das Land immer mehr in ein wirtschaftliches, gesellschaftliches und politisches Chaos. Auch anderswo erweist sich das Modell als wenig erfolgreich.
Allein Irland hat sich aufgrund einer leistungsfähigen und international wettbewerbsfähigen Wirtschaftsstruktur erholen können. Allerdings scheinen auch hier die Ursachen wie Immobilienspekulation und Finanzplatz Irland für dubiose Finanzgeschäfte im Zuge der Erholung der irischen Wirtschaft wieder einzustellen. Solange weltweit noch die globale Finanzmarktblase expandiert geht es Irland gut, was passiert wenn diese platzt, steht auf einem andren Blatt. Von der – nach Ausbruch der Finanzkrise 2008 von einer großen Vielzahl von Akteuren – geforderten umfassenden Transparenz im globalen Finanzsystem ist nichts übrig geblieben. Selbst die Aufsichtsbehörden der Banken räumen inzwischen ein, dass sich das Geschehen von den der Finanzaussicht unterliegenden großen internationalen Geschäftsbanken hin zu Hedge Fonds und Private Equity Firmen verlagert hat, die sich eine direkten Finanzaufsicht entziehen können und ihre Geschäfte an Off-shore Finanzplätzen tätigen.
Eurobonds als Allheilmittel
Eurobonds wurden nach Ausbruch der Schuldenkrise in Europa als Allheilmittel von zahlreichen Vertretern – einer der prominentesten in Deutschland war das damalige Mitglied des Sachverständigenrates Bofinger – um durch eine Vergemeinschaftung der Staatsschulden, die Zinssätze der Krisenländer auf ein erträgliches Niveau abzusenken und das die Gefahr eines Staatsbankrotts abzuwenden. Dieser zunächst einleuchtende Denkansatz hat jedoch seine Tücken, da er eben zu einer Schulden- und Transferunion führt, die eine Anreizstruktur schaffen, die Fehlverhalten der Regierungen einzelner Länder ihre Staatsverschuldung über die Grenzen ihrer Tragfähigkeit auszuweiten durch die Rückversicherung über die Haftungsunion der übrigen Länder letztendlich nicht wirksam begegnet werden kann.
Trotzdem feiern Eurobonds immer wieder eine Renaissance nach dem Deutschland sich gegen diese Form der Haftungsunion verweigert hatte. Zuletzt unternahm Martin Blessing von der Commerzbank erneut den Versuch Eurobonds auf die Politikagenda zu setzen.
Die Idee ist immer noch dabei, dass durch die Schuldenunion sichere Anlagemöglichkeiten für Krisenländer geschaffen werden, die diese gegen mögliche Zinsschocks aufgrund prekärer Haushalts- und Wirtschaftslage rückversichert. Hinzu kommt, dass im Zuge des laufenden Stresstests vor Beginn der Bankenunion dessen Ergebnisse in diesem Herbst vorgelegt werden sollen, dadurch die Risikobewertung der Staatsanleihen in den Bankbilanzen als sichere Anlagen dauerhaft gewährleistet werden könnte. Bisher wurden ja alle Staatsanleihen der Mitgliedsländer als risikolose Anlagen in den Bankbilanzen bilanziert. Würden jetzt je nach Finanzstabilität des Staatshaushalte einzelner Mitgliedsländer der Eurozone Risikoabschläge auf Bestände von Staatsanleihen in den Bankbilanzen einzelner Banken fällig, dann drückt das deren Kernkapitalquote. In den zurückliegenden Jahren hat bereits eine Renationalisierung der Anlage von Staatsschuldverschreibungen einzelner Mitgliedsländer bei deren nationalen Banken stattgefunden, da ausländische Banken wegen des Staatsinsolvenzrisikos und einem unkalkulierbaren Risiko eines Auseinanderbrechens der Währungsunion ihre Anlagen in den Krisenländern deutlich zurückgefahren hatten.
Ein Argument für die Schaffung einer Bankenunion war nicht zuletzt das Problem, dass dadurch die direkte Abhängigkeit zwischen den Staatsfinanzen einzelner Länder, die überwiegend nur noch von nationalen Banken gehalten werden, ein wechselseitiger Ansteckungseffekt einer Krise der Staatsfinanzen kombiniert mit einer Bankenkrise nicht verhindert werden kann.
Durch die Schaffung einer Bankunion soll dieser Nexus durchbrochen werden. Allerdings – und darin bestand der Kuhhandel – wollten die Länder die vor einer Haftungsunion mit den Krisenländern immer noch zurückschrecken, d.h. insbesondere auch Deutschland, – ein Stresstest mit anschließender Abwicklung von de facto insolventen Bankinstituten verhindern, dass sogenannte Zombiebanken in die Bankenunion mit aufgenommen werden sollten, die dann auf Kostender Steuerzahler auch der Nicht-Krisenländer gerettet oder abgewickelt werden müssen.
EZB Geldpolitik und Stresstest
Ein fundamentaler Konstruktionsfehler bei der Schaffung der Bankenunion besteht bereits darin, dass man der EZB die Aufgabe der Bankenaufsicht übertragen hat. Das soll zwar nur vorübergehend der Fall sein, aber jetzt ist dies für unabsehbare Zeit der Fall. Das Problem für die EZB besteht darin, dass ihre Geldpolitik damit einem moralischen Risiko unterliegt. Sie wird bei Kenntnis von Problemen einer großen Zahl von Geschäftsbanken ihre Geldpolitik eher auf deren Stützung ausrichten insbesondere wenn sie selbst einen großen Teil riskanter Papiere dieser Banken hält. Damit drohen zwei Ziele, d.h. das Ziel der Preisstabilität, mit dem Ziel der Wahrung der Finanzstabilität des Finanzsektors in Konflikt zu geraten. Grundsätzlich ist es nicht möglich mit einem Instrument wie der Zinspolitik zwei Ziele gleichzeitig anzusteuern. Die EZB wird daher sich entscheiden müssen welchem Ziel sie höhere Priorität einräumt.
Derzeit ist dies eindeutig die Finanzstabilität. Um diese zu gewährleisten hat sie gerade erneut die Leitzinssatz auf 0,05% gesenkt. Gleichzeitig plant sie den massiven Ankauf von Verbriefungen von Geschäftsbanken, die diese aufgrund problematischer Risikostruktur als hohes Bilanzrisiko gerne loswerden möchten. Damit leistet sie jetzt einen wesentlichen Beitrag zur Bilanzkosmetik für diejenigen Banken, die aufgrund der Ergebnisse des laufenden Stresstests durch den Verkauf solcher problematischer Papiere an die EZB durch das im Gegenzug erhaltene Zentralbankgeld bilanziell sanieren möchten.
Hinzu kommt noch die auf etwa 1 Billion Euro angesetzten Mengentender der Zentralbank, die zu den jetzt nur noch 0,05% fälligen Zinsen und entsprechend ebenfalls entsprechend niedrigeren für langfristigeren Geldmarktpapieren analog der Dicken Bertha von drei Jahren Laufzeit für die Übergangszeit zur Bankenunion mit ausreichend Liquidität versorgt werden sollen. Das ist auch zum Teil deswegen nötig, da die im Januar und Februar 2015 fällig werdenden Reste aus der ersten „Dicken Bertha“, dann ja auch ihr Laufzeitende erreichen und falls nicht tilgbar refinanziert werden müssen. Mithin werden so nolens volens aus den bisherigen dreijährigen Geldmarktpapiere aus der Dicken Bertha 1.0“ durch deren Refinanzierung durch die komende „Dicke Bertha 2.0“ zu nochmals niedrigeren Zinssätzen implizit sechsjährige. Damit übernimmt die EZB aber analog zum QE der Fed auch indirekt die Kontrolle über den Kapitalmarkt, was ihr eigentlich untersagt wäre. Nachdem der Widerstand gegen des OMT-Programm und der noch anhängigen Entscheidungen des EuGH und des BVG hierzu zu riskant ist, um direkt im Sinne von Draghi – What ever it takes – Kapitalmarktpapiere sowohl in Form von Staatsanleihen als auch von privaten Kapitalmarktpapieren einschließlich eben auch der berüchtigten Verbriefungen anzukaufen, vorläufig bis zur endgültigen rechtlichen Klärung verzichtet, wird jetzt eben einfach unter einem etwas anderen Design im Wesentlichen dasselbe scharf Bailout-Konzept gemacht. Es geht hier also gar nicht im Wesentlichen um die Verhinderung einer Deflationsspirale durch die damit eingeleiteten geldpolitischen Maßnahmen, sondern um die Absicherung der Einführung der Bankenunion ohne einen wirkungsvollen Stresstest, der Zombiebanken vor deren Begin aussondert.
Analog zum Fiscal Compact erweist sich auch hier erneut, dass die Zusicherungen zur Bankenunion, die den potentiell in Mithaftung genommenen Gläubigerländern als Bonbon zur Zustimmung zur Bankenunion gegeben worden sind, de facto nicht eingehalten werden. Nachdem bereits vorher die EBA versucht hat mit einem stress test light im Jahr 2011 die Öffentlichkeit hinter Licht zu führen, ist es jetzt die EZB. Es ist eben wie bei jedem Eignungstest – man muss die Latte nur ausreichend tief hängen, damit die gewünschte Zahl von Kandidaten am Ende auch den Test bestehen wird. Post hoc ergo propter hoc, d.h. die EBA und die EZB wissen inzwischen recht genau über die Risiken der Bankbilanzen der am stress test teilnehmenden großen Geschäftsbanken Bescheid. Da offenbar, das Ergebnis unerfreulich ist, müssen Maßnahmen ergriffen werden, um nachzujustieren, d.h. es dürfen nicht zu viele Banken durchfallen. Dies gefährdete ja dann die Finanzstabilität der Eurozone.
So wird die jetzige geldpolitische Maßnahme der EZB verständlich, es geht nicht um die Bekämpfung der Deflation, es geht auch nicht um eine wirkungsvolle Stimulierung der Wirtschaft der Eurozone, sondern es geht um die Schaffung der Bankenunion unter einem stress test light. Alles andere ist letztendlich Nebensache. Ob damit jedoch die Eurozone nachhaltig gerettet werden kann, interessiert derzeit Mario Draghi und die Mehrheit im Zentralbankrat wenig. Wie die Grinsekatze bei Alice im Wunderland setzt Mario Draghi sein Raubtierlächeln auf und verschwindet dann langsam. Nur das hämische Grinsen wird uns erhalten bleiben.
Die Zwangsheirat zur Bankenunion wäre vollzogen. Mission accomplished. Was danach passiert wissen die Götter im Olymp.

Wirtschaftspolitik: Koordinationsversagen

In Deutschland gibt es derzeit eine lebhafte Debatte um die Frage, wie Deutschlands makroökonomische Wirtschaftspolitik wirksamer sowohl mit den internen Spannungen wie auch mit den externen im Rahmen der Eurokrise umgehen sollte.
Finanzpolitik kontra Geldpolitik
Auf der einen Seite steht die Finanzpolitik des Bundes, die eine konsequente Sparpolitik des Schuldenabbaus betreibt. Dies geht auch zu Lasten der staatlichen Investitionen insbesondere in Infrastruktur wie Straßen, aber auch moderner Telekommunikationsnetze sowie eben einer unzureichenden Versorgung der Bevölkerung mit Sozialleistungen, wie Kita-Ausbau, bessere Altersversorgung für einkommensschwache Schichten, etc. Wie im Fußball soll bei Wolfgang Schäuble die schwarze Null bei Haushaltsdefizit des Bundes stehen. Die Begründung dafür liefert die Staatsschuldenkrisen, die im Zuge der Großen Wirtschafts- und Finanzkrise des Jahres 2008 und der bail-outs der Banken in Deutschland sowie der massiven Hilfsprogramme über den EFSF und ESM an die PIIGS-Krisenländer der Eurozone von Deutschland geleistet wurden. Zwar wird offiziell an dem Postulat festgehalten, dass es nicht zu einem Schuldenschnitt und damit Verlusten aus diesen Hilfen kommen würde, aber das ist eine mehr als unsichere Annahme. Allen voran wird Griechenland immer wieder bescheinigt, dass es de facto Zahlungsunfähig ist, d.h. die ausländischen Schulden letztendlich nicht jetzt aber auch nicht später bedienen kann. Mithin schiebt man Forderungen, die eigentlich uneinbringlich sind, einfach in den Bilanzen vor sich her, ohne sie entsprechend den Gegebenheiten durch massive Abschreibungen anzupassen. Ein Hasardspiel der Finanzpolitik in Deutschland. Weil man natürlich intern längst begriffen hat, dass man sich irgendwann in der Zukunft den Realitäten wird stellen müssen, versucht man finanzielle Spielräume zu schaffen, die die Staatsschuldenquote in Deutschland nicht schlagartig in die Höhe schießen lassen wird. Bereits jetzt ist kein Zeitpunkt absehbar, wann die Staatsschuldenquote in Deutschland wieder die im Maastricht-Vertrag vereinbarte Grenze von 60% unterschreiten wird. Da es insgesamt innerhalb der EU gleichfalls in den meisten Ländern noch trostloser aussieht, kann sich als Musterschüler gerieren. Das Glas ist bekanntlich immer halb voll oder halb leer, je nach Sicht des Betrachters. Von der Fiskalpolitik gehen daher kaum expansive Impulse auf das Wachstum der deutschen Wirtschaft aus (siehe Abbildung 1).

Abbildung 1 – Wachstumsbeiträge zum realen Bruttoinlandsprodukt in Deutschland, 1992 – 2013.
Wachstumsbeiträge

Der Staat konsolidiert auch weil er aufgrund der Nullzinspolitik der EZB und den Schwächen der anderen Mitgliedsländer der Eurozone auch zum safe haven geworden ist. Deutschlands Zinssätze für zehnjährige Staatsschuldverschreibungen des Bundes sind derzeit sogar unter 1% gefallen. Das erspart dem Bundeshaushalt bereits jetzt aufgrund deutlich niedrigerer Zinskosten bei der Refinanzierung seiner Altschulden rund 120 Mrd. Euro. Die Kosten tragen jedoch nicht etwa hauptsächlich ausländische Anleger, sondern die inländischen Sparer. Schließlich halten Banken und Versicherungen aus Deutschland den Löwenanteil der deutschen Staatsverschuldung.
Während im Zuge der Konsolidierungspolitik der Staatsfinanzen der Eurozone daher von dort keine Wachstumsimpulse ausgehen, steht die Zentralbank vor dem Problem, dass sie ihr Inflationsziel von einer Inflationsrate von um die 2% nicht erreichen kann. Trotz massiver Ausweitung der Zentralbankgeldmenge in den letzten Jahren sinkt derzeit die Inflationsrate unter 1%. Dies bestätigt eigentlich die Theorie des fiskalischen Preisniveaus , d.h. wenn Finanzpolitik und Zentralbank nicht in die gleiche Richtung ziehen, dann setzt sich je nach Kräfteverhältnis die Finanzpolitik gegenüber der Geldpolitik durch oder vice versa. Die Finanzpolitik in der Eurozone und insbesondere auch in Deutschland wirkt in Richtung Desinflation während die Geldpolitik expansiv wirken möchte. Fiskalische Konsolidierung und höhere Inflationsraten sind derzeit aufgrund der policy mixes miteinander inkompatibel.
Mehr Investitionen in öffentliche Infrastruktur?
Trotz der Ersparnisse bei der Finanzierung der Staatsschulden, die ja das sekundär Defizit senken und damit bei konstantem Gesamtdefizit ja Spielräume für ein entsprechend größeres Primärdefizit eröffnen, recht dieser positive Wachstumsimpuls letztendlich nicht aus, um die Wirtschaft auf einen höheren Wachstumspfad zu heben. Bereits in den beiden zurückliegenden Jahren lag es ja in Deutschland nur bei 0,4% und 0,7%. Um hier den Staat einen stärkeren Wachstumsbeitrag als bisher leisten zulassen, müssten jetzt verstärkt Infrastrukturinvestitionen angeschoben werden, die aber zwangsläufig mit einem wieder ansteigenden Staatsdefizit einhergehen würden. Hier scheiden sich jedoch erneut die Geister. Bisher hat die jetzt regierende große Koalition derartige Forderungen ignoriert. Im Kern bestehen ja hier auch grundsätzlich Probleme, denn zum einen sind diese Ausbau- und Pflege von Infrastrukturaufwendungen keineswegs nur konjunkturell bestimmt, sondern eine Daueraufgabe. Der Instandhaltungsstau bei der Infrastruktur in Deutschland ist ja Ergebnis jahrelanger Sparpolitik von Bund, Ländern und Kommunen und kann auch nicht schlagartig jetzt im Zuge einer Konjunkturpolitik mal drastisch nach oben gefahren werden. Solche ad hoc Maßnahmen würden nur aufgrund unzureichender Kapazitätsreserven zu einem großen Teil in Preiseffekten verpuffen. Das mag zwar der Inflationsrate zugutekommen, aber eben nicht der nachhaltigen Verbesserung und Instandhaltung der Infrastruktur. Mithin bleibt Skepsis angesagt, wenn es um die Frage geht, ob sich hiermit quick fixes der derzeitigen Wachstumsschwäche erzielen lassen.
Weil die Debatte hier derzeit in einer Sackgasse gelandet ist, versucht man es nun auf einem anderen Feld.
Höhere Löhne und Gehälter?
Klassischerweise wurde ja immer seitens der Geldpolitik, die ja Preisstabilität als ihr oberstes Ziel verfolgt, vor den negativen Folgen einer Lohn-Preis-Spirale gewarnt. Wegen der durch Kostenüberwälzung auf den Endverbraucher entstehenden positiven Rückkopplung von überdurchschnittlich steigenden Löhnen und Gehältern beschleunigt sich die Inflationsentwicklung. Was unter normalen Zeiten aus Sicht der Zentralbank als Hüter der Preisstabilität des Teufels war, wird jetzt als Therapie für das Inflationsproblem der Zentralbank angesehen. Insbesondere Jens Weidmann von der Bundesbank hat dies auf die Agenda der wirtschaftspolitischen Diskussion in Deutschland gehoben. Er befindet sich damit auch im Gleichklag mit Mario Draghi von der EZB.
Hier zeigt sich erneut, dass es ein Koordinationsproblem der Geldpolitik mit der Lohn- und Gehaltspolitik gibt. Wie zuvor die Geld- und Fiskalpolitik am gleichen Strang ziehen müssen, um das Inflationsziel zu erreichen, müssen auch die Tarifpartner bei der Lohn- und Gehaltspolitik ihren Part spielen. Kommt es systematisch zu Lohnabschlüssen, die unterhalb der rate des Arbeitsproduktivitätsfortschritts plus der erwarteten Inflationsrate liegen, dann fehlt der notwendige Preisdruck auf den Gütermärkten durch Kostenüberwälzungen aufgrund gestiegener Lohn- und Gehaltskosten. Mithin konterkariert auch eine zu defensive Lohn- und Gehaltspolitik der Tarifpartner das Bestreben der Zentralbank ihr Inflationsziel zu erreichen.
Allerdings gab es ja in der Vergangenheit gewichtige Gründe in Deutschland zur Lohnzurückhaltung. Es ist ja noch gar nicht so lange her, wo die Arbeitslosigkeit in Deutschland die 5 Mill. Grenze überschritt. Man muss nicht Anhänger der Lohnfondtheorie sein, um zu akzeptieren, dass zum Abbau der damals hohen Arbeitslosigkeit in Deutschland die Lohnkosten sich schwächer als anhand der Faustformel Lohn- und Gehaltsanstieg gleich Summe aus Anstieg der Arbeitsproduktivität plus Inflationsrate liegen sollte, um zusätzliches Beschäftigungswachstum zu ermöglichen. Mithin führte diese Beschäftigungspolitik der Tarifpartner einschließlich der massiven Senkung der Lohnnebenkosten eben zu dem Ergebnis, dass mehr Beschäftigung durch niedrige Arbeitseinkommen erkauft wurde. Jetzt wird – weil sich inzwischen die Arbeitsmarktlage deutlich in Deutschland verbessert hat und die Zahl der Arbeitslosen vergleichsweise stabil unter 3 Mill. liegt – die damals bejubelte Politik verteufelt, da sie ja jetzt für die Asymmetrie auf den Arbeitsmärkten in der Eurozone und die niedrige Inflationsentwicklung verantwortlich ist. Dabei waren dies nur zwei Seiten der gleichen Medaille.
Hinzu kommt, dass bereits seit einigen Jahren die Lohn- und Gehaltenentwicklung sich wieder der klassischen Formel für die makroökonomische Lohnfindung angenähert hat. Die Lohnstückkosten steigen inzwischen ja wieder deutlich schneller als in den Krisenländern und die Lücke zwischen der jeweiligen Divergenz zu diesen Ländern ist bereits jetzt rückläufig. Mithin riskiert man jetzt mit einer noch expansiveren Einkommenspolitik der Tarifparteien in Deutschland zur Stützung der Inflationsentwicklung erneut Beschäftigungsverluste in Deutschland zu riskieren. Bekanntlich kommen nach den sieben fetten auch wieder sieben magerere Jahre. Der kräftige Wirtschaftsaufschwung Deutschland in den Jahren 2010 und 2011, der im Wesentlichen auf dem Export in Länder außerhalb der Eurozone basierte, kommt aufgrund einer rückläufigen globalen Konjunktur bereits jetzt zum Stillstand. Würde jetzt noch bei Löhnen und Gehältern in Deutschland kräftig draufgesattelt, dann muss niemand sich wundern, wenn dies zu Lasten der Beschäftigung gehen würde.
Geldpolitik der EZB in der Sackgasse
Es hilft also alles nichts. Die Geldpolitik der EZB steckt in der Sackgasse. Sie kann aufgrund der Interdependenzen zwischen Fiskal- und Tarifpolitik nicht das Preisniveau bzw. die Inflationsentwicklung autonom steuern. Weil aber beide eher neutral und nicht expansiv eingestellt sind, kommt es auch nicht zu einem deutlichen Anstieg der Inflationsentwicklung der Eurozone.
Hinzu kommt noch die nachlassende Weltkonjunktur (siehe Abbildung 2), die auch weltweit insbesondere bereits jetzt bei den Energierohstoffen die Preisentwicklung bremst. Dies importierte Desinflation belastet die allgemeine Inflationsentwicklung in der Eurozone und insbesondere auch in Deutschland zusätzlich.
Abbildung 2- Wachstumsbeiträge zum globalen Bruttoinlandsprodukt, 1996 – 2013.
Global Growth GDP
Mithin gibt es keine Lösung, um die Zielkonflikte: Haushaltskonsolidierung, Beschäftigungssicherung und Arbeitseinkommensentwicklung sowie Inflationsrate um 2% miteinander im Gleichgewicht zu halten. Um es mit Milton Friedman zu sagen: There is no free lunch.
Traditionell kam der Zentralbank ja immer die Rolle des Bremsers zu, d.h. durch restriktive Geldpolitik wurden Regierungen gezwungen überbordende Haushaltsdefizite und Tarifpartner zu hohe Tarifabschlüsse zu korrigieren. Jetzt hat sich zur Überraschung der EZB die Lage umgedreht. Man versucht die Inflation durch exzessive Liquiditätsschöpfung seitens der EZB anzukurbeln und muss zur Überraschung feststellen, dass die anderen Akteure dieses Angebot für höhere Staatsdefizite und höhere Tarifabschlüsse verweigern. Ein unerwartetes geldpolitisches Paradox und ein klassischer Rollentausch. Wie sagt John Maynard Keynes so schön: „Man kann die Pferde zwar zur Tränke führen, aber saufen müssen sie schon selber.“ Nur die wollen partout nicht, weil sie in ihren partiellen Gleichgewichten gefangen sind.

EU-Stabilitätspakt: Politik der leeren Worte

Nachdem die explodierenden Staatsschulden der Länder der Eurozone als Stabilitätsrisiko für den Fortbestand der Währungsunion identifiziert wurden, sollte alles anders und d.h. besser werden. Strukturelle Haushaltsdefizite sollten schrittweise abgebaut werden und die Regel einer soliden Fiskalpolitik wurden erneut im Europäischen Fiskalpakt nochmals kodifiziert. Allerdings sind das nur Leerformeln, wenn diese nicht auch in die politische Praxis Eingang finden.
Die von Reinhart und Rogoff initiierte Debatte über die negativen Auswirkungen einer hohen Staatsverschuldung auf das langfristige Wirtschaftswachstum wurde aufgrund einiger methodischer Fehler ihrer Analyse rasch wieder zerredet. Dabei geht es gar nicht so sehr um die Details, sondern um die Tendenz einer negativen Korrelation zwischen Höhe der Wachstumsrate eines Landes und der Höhe der Staatsverschuldung. Diese Aussage hat aber trotz aller methodischen Mängel der Analyse von Reinhart und Rogoff weiterhin Bestand.
Die nächste Hürde, die gegen eine Politik der Haushaltskonsolidierung von den Protagonisten weiterer Staatsschulden errichtet wurde, ist die Frage der Kausalität. Ein klassisches Henne-Ei-Problem. Muss erst das Wirtschaftswachstum wieder steigen bevor die Staatsverschuldung sinken kann oder vice versa?
Hier herrscht derzeit eine Pattsituation in der wissenschaftlichen Debatte. Diese nutzen die Politiker der hochverschuldeten Länder, um sich einen Freibrief für weiter steigende hohe Staatsverschuldung auszustellen. Diese Schulden dienen ja angeblich zur Wiedererlangung eines höheren Wirtschaftswachstums bevor dann endlich die Staatshaushalte in Ordnung gebracht werden können. Der Weg zur Hölle ist bekanntlich mit guten Vorsätzen gepflastert.
Allerdings sind die Wirkungen höherer Staatsverschuldung auf ein deutlich höheres Wirtschaftswachstum weiterhin äußerst moderat. Für die Gesamtheit der EU-Mitgliedsländer wie auch die der Eurozone lag das reale Wirtschaftswachstum in Jahr 2013 bei nur 0,1% , d.h. ein homöopathischer Wert. Mit dieser Wachstumsdynamik ist mit einem deutlichen Abbau der extrem hohen Arbeitslosigkeit in die Krisenländern der EU kaum zu rechnen. Damit leisten die derzeit immer noch bestehenden Haushaltsdefizite keinen messbaren positiven Wachstumseffekt. Sie können nur ein weiteres Absinken in eine tiefere Rezession mildern.
Selbst Deutschland als Musterländle der EU musste sich im vergangenen Jahr mit einem Wirtschaftswachstum von 0,4% des Bruttoinlandsprodukts bescheiden. Die Krisenländer der Eurozone neben einigen weiteren befinden sich jedoch weiterhin in einer Rezession.
Trotz drastisch gesunkener Finanzierungskosten der EU-Krisenländer durch die diversen Maßnahmen zur Kollektivierung der Risiken der Staatsschulden über die EZB und den EFSF/ESM haben die niedrigeren Zinskosten noch keinen deutlichen Wachstumsimpuls dort hervorlocken können.
Nimmt man die aktuellste Prognose der Gemeinschaftsdiagnose der Wirtschaftsforschungsinstitute vom Frühjahr 2014 als Orientierungsgröße, dann sollte jetzt bereits jetzt ein deutlicher Aufschwung in der EU und insbesondere der Eurozone stattgefunden haben (siehe Tabelle 1).
Tabelle 1 – Reales Bruttoinlandsprodukt, Verbraucherpreise und Arbeitslosenquoten in der Welt
GD 2014 Spring
Offenbar zeigen die aktuellen Daten für das erste Quartal dieses Jahres und auch voraussichtlich des zweiten keinen solchen deutlich messbaren Aufschwung. Insbesondere beim Export und den Investitionen hapert es. Das Jammern über Investitionsschwäche nützt dabei wenig, wenn die Privatwirtschaft aufgrund bereits jetzt bestehender niedriger Kapazitätsauslastung keinen Anlass sieht weitere Überkapazitäten aufzubauen.
Im Durchschnitt liegt sie innerhalb der Eurozone bei knapp 80%. In den Krisenländern wie beispielsweise Italien mit 71,2% deutlich darunter. Nur in Deutschland brummt noch die Konjunktur mit einer Kapazitätsauslastung von 84,3%. Mithin lebt Deutschland derzeit noch in einem virtuous circle aus relativ günstiger Konjunkturlage, sinkender Staatsverschuldung und hoher und sogar noch steigender Kapazitätsauslastung. Aber auch in Deutschland beginnt der Export zu lahmen (Abbildung 1). Hingegen stecken die Krisenländer weiterhin in einem vicious circle aus Rezession, steigender Staatsverschuldung und niedriger Kapazitätsauslastung.
Der Frühjahrsaufschwung vom April 2014 in Deutschland ist bereits im Mai ins stocken geraten. Von Ausfuhren im April 2014 in Höhe von 93,7 Mrd. Euro sank dieser im Mai 2014 auf 92 Mrd. Euro. Bisher hält sich noch vergleichsweise der Warenhandel stabil. In den ersten fünf Monaten diesen Jahres liegt dieser bei 90,8 Mrd. Euro im Vergleich zum Vorjahr für den gleichen Zeitraum von 89,8 Mrd. Euro. Ein Plus von einer Milliarde Euro, d.h. ein mageres Plus von 1,1%. Da die Exportquote der deutschen Wirtschaft bei über 50% liegt, dürfte diese Entwicklung das Wachstum der deutschen Wirtschaft insgesamt bremsen. Das Verarbeitende Gewerbe in Deutschland musste bereits im Mai 2014 einen deutlichen Rückgang der Produktion gegenüber dem Vormonat von -1,9% verzeichnen. All das lässt nicht Gutes für den Herbst erwarten. Das Geschäftsklima gemessen durch den Ifo-Index ist im Juni hinsichtlich der zukünftigen Geschäftserwartungen deutlich gesunken.
Abbildung 1 – Beiträge einzelner Endnachfragekomponenten zum Wachstum des Bruttoinlandsprodukts ausgewählter Länder im 1. Quartal 2014.
Wachstumsbeiträge zum BIP
Quelle: OECD.
Die Weltwirtschaft scheint sich derzeit eher in einem globalen Stagnationsprozess als in einem Aufschwungsprozess zu befinden (siehe Abbildung 2).
Abbildung 2 – Beiträge einzelner Ländergruppen zum Wachstum des globalen Bruttoinlandsprodukts, 1998-2013.
Global Growth GDP
Eine Rückkehr zu den doppelt so hohen Wachstumsraten der Weltwirtschaft von jährlich rund 4% ist jedenfalls derzeit nicht absehbar. Insofern verwundert es schon, wenn man weiterhin in Deutschland als eines der besonders exportabhängigen Länder einen Zweckoptimismus pflegt und hofft weiterhin gegen der Strom der Weltkonjunktur schwimmen zu können. Derzeit lebt die deutsche Wirtschaft bereits jetzt nur von der günstigen Binnenkonjunktur. Wie lange noch?
Stabilitätspakt Adé
Vor diesem Hintergrund verwundert es nicht, dass man erneut bereits jetzt wieder auf neue Konjunkturprogramme in den Krisenländern der EU setzt. Italien , Spanien und Frankreich haben sich de facto bereits von den Verträgen zum EU-Stabilitätspakt verabschiedet. Nun möchte man auch die Deutungshoheit über die Definition von Haushaltsdefiziten bei den Staatshaushalten auch de jure durchsetzen. Hinzu soll auch Deutschland als Konjunkturlokomotive der Eurozone aus Sicht der Krisenländer aus Solidarität noch mehr tun, d.h. ebenfalls auf eine Rückkehr zur Politik höherer Staatsverschuldung zurückkehren. Allerdings dürften die sich daran knüpfenden Hoffnungen kaum erfüllen. Zum einen verweigert sich die Bundesregierung einem solchen Ansinnen bisher zum anderen sind die indirekten Effekte von höherem Wirtschaftswachstum in Deutschland über die Importnachfrage auf die Krisenländer als vergleichsweise moderat einzuschätzen. Dafür ist deren Bedeutung für die deutsche Wirtschaft zu gering. Eher dürften umgekehrt isolierte Konjunkturprogramme dort sich durch die dadurch auch aus Deutschland induzierte Importnachfrage abschwächen und eher einen geringfügigen Beitrag zur deutschen Konjunktur leisten. Es müssten schon erneut Größenordnungen wie zuletzt in den Jahren 2010 und 2011 bei den Staatsdefiziten notwendig sein, um einen deutlichen Aufschwung in den Krisenländern herbeiführen zu können. Dies würde aber die bereits jetzt fragile Finanzstabilität der Länder der Eurozone weiter untergraben. Das Modell hohe Staatsdefizite und dadurch induzierte Staatsnachfrage führt zu hohem nachhaltigen Wirtschaftswachstum ist bereits einmal in den Jahren 2010 bis 2012 gescheitert. Man hat vorübergehend zwar ein Wirtschaftsaufschwung realisiert, aber eben um den Preis nachhaltig gestiegener Staatsverschuldung. Mithin droht bei einer solchen Strategie das japanische Dilemma. Die Abenomics sind wohl auch mehr ein Reformmodell, das nach dem Prinzip Hoffnung arbeitet als die reale Lage wesentlich in Japan verbessern kann.
Mithin wiederholt sich der Vorgang der Aufweichung des Stabilitätspakts, eines nachlassenden Reformeifers schmerzvolle Strukturreformen umzusetzen und der wachsenden fiskalischen Fragilität der öffentlichen Haushalte in den EU-Krisenländern. Same, same not different.
Siegmar Gabriel ist ein gelehriger Schüler von Gerhardt Schröder. Das das die Lösung aus der derzeitigen Wachstumskrise in den EU-Krisenländern sein kann, darf füglich bezweifelt werden. Man beschreitet eben den japanischen Weg in der vagen Hoffnung, dass noch reichlich Spielraum für weiter steigende Staatsschulden bleibt. Deutschland soll dabei als Mithaftender für die wachsende Staatsverschuldung auch dieser Staatsschulden den Spielraum für weitere Schulden vergrößern.
Das könnte sich bei einer globalen Zinswende, die sich ja bereits in den USA und Großbritannien abzeichnet, eine fatale Fehlkalkulation sein. Dann folgt ein Double Whopper aus rasant steigenden Refinanzierungskosten für die Staatsschulden und weiterhin ausufernden Haushaltsdefiziten, die den expansiven Effekt eines Haushaltsdefizits aufgrund steigender sekundär Defizite schnell auslöschen kann.
Ob die EZB in der Lage und Willens wäre sich gegen einen globalen Zinsanstieg mittels exzessiver Geldpolitik in Form eines QE zu stemmen, bleibt dann auch noch abzuwarten. Wer auf nachhaltigen Niedrigstzinsen in den kommenden Jahren sein Haus bzw. Haushalt aufbaut, dürfte rasch eine böse Überraschung erleben. Dann wären wir bei einer Eurokrise 2.0 angelangt und guter Rat wäre noch teurer als zuvor.

Deflationsgefahr ein Hoax von Draghi

Mario Draghi hat lange Zeit das Gespenst der Deflationsgefahr in der Eurozone an die Wand gemalt. Jetzt schwenkt er öffentlich zwar um, aber er verwendet weiterhin dieses Argument zur Legitimation seiner exzessiv expansiven Geldpolitik. Durch einen erneuten Mengentender, d.h. jede Geschäftsbank erhält zu einem vorgegeben niedrigen Zinssatz von 0,2% der EZB die gewünschte Zuteilungsmenge an Zentralbankgeld, die voraussichtlich im Herbst dieses Jahres starten soll, – man rechnet hier mit einem Volumen von rund 400 Mrd. Euro – soll angeblich der Deflationsgefahr entgegengewirkt werden. Allerdings sollen diese Gelder zweckgebunden sein, d.h. die Geschäftsbanken müssten nachweisen, dass sie diese Mittel nicht wie bisher in großem Umfang bei der EZB parken. Um dem noch Nachdruck zu verleihen wird ein Strafzins für solche Anlagen bei der EZB von 0,1% eingeführt. Wie diese Zweckbindung im Einzelnen ausgestaltet werden soll, bleibt derzeit noch offen.
Gleichzeitig räumt man nun offiziell ein, dass die zuvor beschworene Deflationsgefahr selbst aus Sicht der EZB gar nicht aktuell existiert. Nachdem man also die jetzigen geldpolitischen Beschlüsse durchgesetzt hat, hat der Mohr – sprich Deflation – seine Schuldigkeit getan. Man will jetzt als anderes Ziel die Kreditklemme bekämpfen, da offensichtlich weiterhin die Geschäftsbanken bei der Kreditvergabe insbesondere an kleinere und mittlere Unternehmen oder Privatkunden große Zurückhaltung üben. Stattdessen wurden die liquiden Mittel weiterhin in großem Stil in die Aktien-, Immobilienmärkte und in höher verzinsliche Staatsanleihen der Eurozone, d.h. insbesondere der Krisenländer investiert. Das hat zwar die Zinsen für Staatsanleihen im Vergleich zu denen zu Beginn der Eurokrise deutlich gesenkt, aber eben nicht die Privatwirtschaft dieser Länder in Schwung gebracht.
Die Legende, dass mittels Eurobonds und die dadurch erzielbare Senkung der Zinskosten der Staaten der Krisenländer der Eurozone alles wieder ins Lot zu bringen sei, ist damit jetzt bereits empirisch widerlegt. Trotz erneut niedriger Zinsen in den Krisenländern – sogar niedriger als vor Ausbruch der Eurokrise -, ist von einem kräftigen Wirtschaftsaufschwung dort nichts zu bemerken. Erst recht nicht am Arbeitsmarkt. So wenig das Deflationsmärchen etwas mit der Realität zu tun hat, so wenig hat die Zinslegende der Eurobonds die tatsächlichen Ursachen der Krise in Europa offengelegt.
Kann de EZB die Banken zwingen verstärkt Kredite auszureichen?
Auch das jetzige Maßnahmenpaket dient nicht den Zwecken, die die EZB vorgibt damit bekämpfen zu wollen. Man wird – um es mit Keynes zu sagen – die Pferde zwar zur Tränke führen können, aber saufen müssen sie schon selber. Die Geschäftsbanken werden sich durch die EZB nicht zwangsweise zu Kredit zwingen lassen, die man nicht vergeben möchte. Des Pudels Kern findet sich stattdessen in der Bankenunion und dem angekündigten Stresstest, der AQR. Man muss die Bilanzen der Geschäftsbanken schönen, damit es nicht zu einer Bankenkrise aufgrund maroder Bankbilanzen kommt.
Bankenkrise ist Folge eines überdimensionierten Finanzsektors in Europa
Europa ist Overbanked, d.h. hat zu viele Geschäftsbanken, die eigentlich Pleite sind und derzeit nur mittels der Liquiditätshilfen der EZB am Leben gehalten werden. Deswegen hätte im Zuge eine massive Bereinigung im Bankensektor stattfinden müssen und hierfür gerechterweise auch deren Kapitaleigner und Einleger für die Verlustabdeckung zur Verantwortung herangezogen werden müssen (Stichwort: Haftungskaskade ).
Die Politik der EU-Kommission, die EZB und die nationalen Regierungen haben sich anders entschieden und ohne eine solche grundlegende Bereinigung der Bankenlandschaft weitgehend alle Banken mittels gewaltiger Staatsbürgschaften, wie beispielsweise bei der HRE oder IKB in Deutschland vor dem Finanzkollaps auf Kosten der Steuerzahler „gerettet“. Das ließ die Staatsverschuldung explodieren und wurde nur teilweise mit Kürzungen der Sozialleistungen „finanziert“. Die Staatsschuldenquoten sind bei der Mehrheit der Länder weiter deutlich gestiegen und steigen auch weiterhin. Gespart wird de facto nicht, gespart wird an den Sozialleistungen, aber die Staatsverschuldung steigt. Wer aber zu Lasten der Bürger und nicht derjenigen konsolidieren möchte, schafft die Grundlage für soziale Unruhen. Das gilt nicht nur für die EU, sondern weltweit. Eine Politik der sozialen Ungerechtigkeit, die die Lasten einer hemmungslosen Spekulation der Vermögensbesitzer mittels Hedgefonds und Großbanken, den übrigen Bürger anlastet, ist der Hintergrund einer neuen Verteilungsdebatte über Einkommen und Vermögen. Cui bono? Wem nützt die derzeitige Politik auch der EZB?
Zudem hat man den größten Banken, die weltweit mit hochriskanten Derivatgeschäften operieren gemeinsam mit den anderen Ländern insbesondere den USA, Japan, der Schweiz und der VR China den Status von systemrelevanten Banken verliehen, die letztendlich auf eine Staatshaftungsgarantie, d.h. weitere bail-outs zu Lasten der Steuerzahler vertrauen können. Die Frage des damit verbundenen moralischen Risikos wurde ignoriert. Man begnügte sich damit, den Sifi-Banken höhere Eigenkapitalquoten in Aussicht zu stellen. Im Falle einer erneuten systemischen Krise dürften diese jedoch keineswegs ausreichend kapitalisiert sein, um ihre Verluste aus den vorhandenen Eigenmitteln dann auch abzudecken. Es ist und bleibt ein Feigenblatt. Der Steuerzahler bleibt indirekt über den Staat als lender-of-last-resort in der Haftung.
Bankenunion eine Scheinlösung
Mit der demnächst geplanten Europäischen Bankenunion werden die Probleme de facto auch nicht gelöst. Es werden nur Haftungsrisiken für Banken vergemeinschaftet. Deutsche Steuerzahler haften dann eben gemeinsam mit Italienern und Franzosen für marode Banken in ihren Ländern. Man hofft mit der Bankenunion einen Bankennationalismus , der bisher das Verhalten der einzelnen Regierungen prägte, verhindern zu können. Ob gemeinsame europäische Institutionen dafür ausreichend stark sein werden, bleibt aber mehr als zweifelhaft. Der Lackmustest wäre dann fällig, wenn beispielsweise eine Großbank eines Landes abgewickelt werden müsste.
Würde beispielsweise es die italienische Regierung akzeptieren, wenn die kriselnde italienische Bank Monte de Paschi , deren Aktien vom Börsenhandel erst kürzlich ausgesetzt werden mussten , analog der HRE abgewickelt werden müsste, da sie nicht nur illiquide sondern insolvent ist? Die Zustimmung dürfte entscheidend davon abhängen wer am Ende die Zeche zahlt. Ebenso wie Österreich hofft durch einen Schuldenschnitt der Hype Alpe Adria zu Lasten der Gläubiger insbesondere auch der Bayern LB die Kosten ins Ausland verschieben zu können , stimmen vermutlich viele Regierungen der Bankenunion nur zu, weil sie im Stillen hoffen, dass sie dabei einen Vorteil im Zuge der unausweichlichen Bankensanierung der EU für sich herausschinden können. Da das aber natürlich bei einem Nullsummenspiel nicht möglich sein wird, dürfte der Streit erst mit Beginn der Bankenunion richtig losgehen.
Zwar hätte dann die EZB als oberste Aufsichtsbehörde die Zuständigkeit für diese Entscheidung, aber es bleibt völlig offen, ob sich die jeweiligen Länder und deren Regierungen einer Entscheidung beugen werden, wenn es eine ihrer Banken tatsächlich treffen sollte. Die Einführung der Bankenunion wird also nicht die Lösung liefern, sondern vertagt derzeit nur den Streit auf den Zeitpunkt danach.
Wie der Streit um die Besetzung des Postens des EU-Kommissionspräsidenten bereits anschaulich dokumentiert, scheren sich die Regierungschefs wenig um institutionelle Gepflogenheiten und Regelungen, wenn ihnen das damit vorgegebene Ergebnis missfällt. Es ist daher meiner Ansicht nach nur eine weitere Illusion, dass fragile europäische Institutionen kontroverse Entscheidungen besser regeln können. Wie die Drohung Großbritanniens, aus der EU notfalls auszutreten , bereits zeigt, ist die Autonomie des Landes David Cameron wichtiger als die Unterordnung unter einem institutionellen Rahmen der EU. Die Hoffnungen, die Institutionalisten in die Reform der EU setzen, könnten sich daher rasch als Luftschloss erweisen.
Statt rasch nach Ausbruch der Finanzkrise die Bankensanierung auf nationaler Ebene sofort voranzutreiben und insolvente Banken abzuwickeln, hat die Politik die Zombiebanken immer weiter mit Geld durch die EZB zu versorgen, dazu geführt, dass ein Attentismus eingetreten ist, weil man eben darauf spekuliert durch die Kollektivhaftung in der Bankenunion billiger aus der Angelegenheit herauszukommen.
Es wundert daher nicht, dass einige Beobachter japanische Verhältnisse in Europa diagnostizieren. Dort wurde auch die Konsolidierung des Finanzsektors über mehr als ein Jahrzehnt verschleppt und hat damit maßgeblich zur langandauernden Stagnation der japanischen Wirtschaft und eine explodierende Staatsverschuldung beigetragen.
Die unorthodoxe Geldpolitik der EZB
Hat die EZB mit ihrer Geldpolitik die Währungsunion gerettet? Zweifel sind angebracht. Man hat es den Regierungen ermöglicht die Konsolidierung des Finanzsektors auf nationaler Ebene nicht voranzutreiben, da man ja die EZB in der Rolle des lenders-of-last-resort zusammen mit dem EFSF und dem ESM kostengünstiger in Anspruch nehmen konnte.
Dass eine solche Politik kumulativ steigende Lasten mit sich bringt, wird dabei geflissentlich unter den Teppich gekehrt. All diese uneinbringlichen Forderungen müssen ja mit Zins und Zinseszins in die Zukunft fortgeschrieben werden. So muss die Fed in den USA bereits verkünden, dass man auf Jahre hinaus die gewaltig aufgeblähte Bilanz wohl aufrechterhalten müsse, da es keine realistische Chance gibt, die Papiere ohne erhebliche Wertberichtigungen zurück in den Finanzmarkt zu schleusen. Es ist letztendlich das Eingeständnis, das die Politik von Ben Bernanke ein toxisches Erbe hinterlassen hat. Eine Bilanzbereinigung ist aber wegen der dann fälligen Verluste und der Notwendigkeit einer Rekapitalisierung der Fed unerwünscht. Also schleppt man die Lasten weiterhin in die Zukunft. Die Fed ist de facto bereits jetzt eine Zombiezentralbank. Allerdings führt die Bilanzschwäche der Notenbanken dazu, dass man im Falle einer erneuten schweren globalen Finanzkrise weitgehend handlungsunfähig sein wird. Noch einmal kann man nicht einen so gewaltigen bail-out stemmen.
Trotzdem führt dieses Risiko nicht zur Einsicht bei den Akteuren der Großbanken vorsichtiger zu operieren. Man tanzt weiter solange die Musik auf dem Börsenparkett spielt und versucht nebenbei seine Schäfchen rechtzeitig ins trockene zu bringen. Es ist eben eine Politik des l’après moi, le deluge. Die Flut kam in Frankreich in Form der französischen Revolution. Ludwig der XV wusste also was er sagte. Nur verhindert hat er die Katastrophe nicht.
Wenn aber zu hohen Buchwerten zu niedrige Realwerte gegenüber stehen, ist die Richtung der Korrektur am Ende klar. Die Buchwerte werden sich den Realwerten anpassen müssen. Diesen Vorgang kann man dann Vermögensabgabe, Schuldenschnitt oder Inflation bzw. Hyperinflation nennen. Jede dieser Ausprägungen ist jedoch alles andere als eine weiche Landung. Es ist ein Schock. Nur Deflation ist es nicht. Be prepared.

Defizit- und Schuldenabbau in Deutschland: Konjunkturelle kontra strukturelle Defizite

Die weiterhin steigende Staatsverschuldung der großen Volkswirtschaften weltweit ist zur Geißel der nachhaltigen wirtschaftlichen Stabilität der Weltwirtschaft geworden. Neben den USA, Japan und China sind es eben auch insbesondere die Mitgliedsländer der EU, die weiterhin weit von einer nachhaltigen Finanzpolitik entfernt sind. Zwar sind teilweise die Defizite nach einer gewissen Phase der Haushaltskonsolidierung wieder rückläufig , aber ein echter Schuldenabbau findet derzeit fast nirgendwo statt. Die einzigen löblichen Ausnahmen innerhalb der EU sind neben Deutschland noch die Länder Ungarn, Lettland, Litauen sowie Tschechien.
Nun gilt ja die allgemeine keynesianische Weisheit, dass in einer Phase der Rezession oder sogar Depression wie in einzelnen Krisenländern der EU der Staat nicht seine Defizite zurückfahren soll. Er würde ja prozyklisch die Krise durch seine Haushaltskonsolidierung noch verschärfen. Allerdings gilt dies eben nur für den Anteil des konjunkturellen Defizits. Strukturelle Defizite , d.h. nachhaltige Ungleichgewichte zwischen der Einnahmen und Ausgabenseite sollten trotz alledem zurückgeführt werden. Offenbar findet hier derzeit wenig beim Abbau struktureller Defizite in den meisten Ländern statt. Selbst Deutschland kann seine Staatsverschuldung nur dadurch so erfolgreich zurückführen, da es als safe haven für ausländisches Kapital dient, dass sich vor der anderswo unsoliden Finanzpolitik anderer Ländern fürchten. Hinzu kommt noch das Privileg, dass der Euro nach dem US-Dollar immer noch eine der großen Weltreservewährungen darstellt. China arbeitet jedoch derzeit bereits intensiv daran den Renminbi ebenfalls als wichtige Weltreservewährung zu etablieren.
Deutschland als Musterknabe?
Aufgrund dieses Privilegs profitiert Deutschland von den derzeit außerordentlich niedrigen Zinssätzen für deutsche Staatsanleihen. Für Bundesanleihen mit zehnjähriger Laufzeit liegen diese derzeit bei nur knapp 1,5%. Mithin kann der Bundesfinanzminister derzeit die Altschulden des Bundes zu den aktuell besonders niedrigen Finanzierungskosten refinanzieren.
Er lebt geradezu im Paradies eines Finanzministers, der ohne die Staatsausgaben anderswo senken zu müssen das Haushaltsdefizit abbauen kann, wenn er nicht alle Zinskostenersparnisse gleich wieder für neue Staatsausgaben verwendet. Solange das Zinstief andauert und langfristig bei der Refinanzierung der Staatsschulden festgeschrieben werden kann, sinken entsprechend der Laufzeit die Zinskosten des Staates. Auch dies ist implizit eine Geldvermögenssteuer, da ja Anleger derzeit deutlich niedrigere Zinserträge erzielen als dies unter normalen Verhältnissen der Fall wäre. Er kann es sich sogar derzeit leisten, dass man umfangreiche neue Ausgaben insbesondere im Sozialbereich verabschiedet.
Letztere haben darüber hinaus noch den besonderen Charme, dass sie den Bundeshaushalt nicht belasten, sondern aufgrund der günstigen Kassenlage der Sozialkassen aufgrund eines hohen Beschäftigungsstandes dort gegenfinanziert werden können. Trotzdem mu0te man die Senkung der Beiträge zur Rentenversicherung, die aufgrund voller Kassen zuvor gesetzlich vorgeschrieben waren, aussetzen. Mütterrente und Rente mit 63 werden daher auf Kosten der übrigen gesetzlichen Sozialversicherten finanziert. Sozialpolitik wird eben nicht aus Steuern und Abgaben des Staates finanziert, d.h. als versicherungsfremde Leistung behandelt. Diese Strategie hat ja bereits Helmut Kohl ausgiebig im Zuge der Wiedervereinigung angewendet und damit eine Rentenkürzung der bisherigen Beitragszahler unvermeidlich gemacht.
Zwar war die CDU/CSU noch im letzten Bundestagswahlkampf mit dem Ziel angetreten keine Steuererhöhungen zuzulassen, aber das ist letztendlich ein semantisches Problem. Durch die Beibehaltung der Steuerprogression insbesondere dem Mittelstandsbauch werden ja genau diese Steuerbürger bei jeder Einkommenserhöhung – auch wenn diese nur einen Inflationsausgleich darstellt – zur Kasse gebeten. Die jetzt im Zuge der verschärften Verfolgung von Steuerhinterziehern hinzukommenden Mehreinnahmen – Ulli Hoeneß lässt grüßen – spülen dem deutschen Fiskus weitere Milliarden in die Haushaltskassen.
Mithin führt dies alles dazu, dass letztendlich die Haushaltslage derzeit blendend ist. Allerdings steht eben dieses fiskalische Paradies unter einem konjunkturellen Vorbehalt. Zum einen muss die Konjunktur nicht wie in den letzten Jahren weiter so günstig verlaufen.
Der Renteneintritt der Babyboomer rückt unaufhaltsam näher. Die derzeitig günstige Lage bei der Zuwanderung hochqualifizierter Arbeitskräfte nach Deutschland wegen der anderswo in der EU außerordentlich hohen Arbeitslosigkeit wird auch kein Dauerzustand bleiben. Schließlich greifen ja auch die Sparzwänge in wichtigen EU-Mitgliedsländern wie beispielsweise Frankreich. Hinzu kommen die politischen Risiken, wie derzeit durch die Ukrainekrise und die dort angekündigten Wirtschaftssanktionen gegenüber Russland. Schließlich ist Deutschland einer der wichtigsten Handelspartner Russlands und dementsprechend von solche Maßnahmen am härtesten betroffen.
Des Weiteren schwebt weiterhin das Damoklesschwert eines Schuldenschnitts von Krisenländern wie beispielsweise Griechenland über dem deutschen Staatshaushalt. Viele erwarten, dass nach der Wahl zum Europaparlament das dritte Rettungspaket geschnürt werden muss. Bei einer Bruttostaatsverschuldung von derzeit bereits 175% des BIP wird ein Schuldenschnitt auch wieder auf der Tagesordnung der Haushälter im deutschen Bundestag stehen. Dies müsste dann aber im Bundeshaushalt als einmalige Mehrausgabe ausgewiesen werden.
Vorsicht: Umstellung der Statistik
Ein weiterer Faktor, der in diesem Jahr die Staatsschuldenquote und Staatsdefizitquote deutlich senken wird, ist rein statistischer Natur. Durch die Umstellung der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen werden im Herbst dieses Jahres insbesondere das Bruttoinlandsprodukt und die Investitions- und Konsumquote des Staates neu berechnet. Die Forschungs- und Entwicklungsaufwendungen werden jetzt nicht mehr als Vorleistungen außerhalb des Bruttoinlandsprodukts verbucht, sondern als Investitionen behandelt und damit zum Bestandteil des BIP. Da die FuE-Quote in Deutschland etwa bei 3% liegt, wird nach der Revision das BIP entsprechend im Niveau höher liegen. Dies hat automatisch zur Folge, dass die Defizit- und Schuldenquote des Staates dementsprechend sinken. Des Weiteren wird die Investitionsquote des Staats deutlich angehoben, weil Rüstungsausgaben nicht mehr als Staatsverbrauch, sondern als Investition verbucht werden. So kann sich der Finanzminister auf schönere Zahlen im Herbst freuen ohne dass sich deswegen de facto nur etwas grundsätzlich geändert hat. Alles nur eine Frage der Definition.
Globale Risiken auf den Finanzmärkten und der Weltwirtschaft
Auch ist die Fragilität der globalen Finanzmärkte ein weiterer Risikofaktor, der gerne von der deutschen Politik verdrängt wird. Ob die jetzt beschlossene Bankenunion der EU so glatt über die Bühne gehen wird, wie sich das deren Propagandisten vorstellen, bleibt abzuwarten. Der anvisierte Bankenstresstest (AQP – Asset Quality Program) könnte ja einige unangenehme Überraschungen ergeben, die die Finanzmarktstabilität Europas in Mitleidenschaft zieht. All dies kann zu einem raschen unangenehmen Erwachen der Haushaltspolitiker in Deutschland führen. Es droht dann wie in der Bibel die Vertreibung aus dem Paradies. Dann werden auch die latenten strukturellen Defizite wieder sichtbarer werden.
Hinzu kommt die weltweit herumvagabundierende Überschussliquidität aus den diversen QE-Programmen , die bereits im vergangenen Jahr in zahlreichen BRICS-Staaten sowie weiteren emerging market economies wie der Türkei und Indonesien zu unangenehmen Verwerfungen geführt haben. Der immer wieder von Zentralbankern beklagte gestörte Transmissionsmechanismus des Kreditkanals der führenden Volkswirtschaften, hat ja nicht zuletzt seine Ursache darin, dass bei weltweit unregulierten Geld und Kapitalmärkten die Liquidität dort in rasantem Tempo dorthin fließt, wo man kurzfristig die höchsten Renditen erwirtschaften kann. Führt dies dann dort in der Realwirtschaft zu einer drastischen Inflationsbeschleunigung, steigenden Leistungsbilanzdefiziten und Malinvestments, dann flieht das scheue Reh Kapital rasch wieder anderswohin. Was ursprünglich als Stabilisierungsmechanismus gedacht war, erweist sich – wir wissen es spätestens seit der Asienkrise von 1998 – als Element der Destabilisierung ganzer Volkswirtschaften. Von dort gehen dann aufgrund der Ansteckungseffekte kumulative Prozesse aus, wenn ein hinreichend großer Anteil der Weltwirtschaft aufgrund seiner engen Wirtschaftsbeziehungen untereinander mit Verlusten im Handel sowie aus Anlagen dort rechnen muss. Nicht zuletzt der hochkomplexe Überbau der Derivatmärkte, die über Zins-, Wechselkurs- und weiterer Wetten auf zukünftige Entwicklungen der Weltwirtschaft aufgrund der dort hohen Hebeleffekte als Brandbeschleuniger von Krisen wirken können, ist es mit der robusten oder antifragilen Verfassung der globalen Finanzmärkte nicht weit her. Von einer globalen wirkungsvollen Finanzverfassung sind wird derzeit noch ebenso weit entfernt wie bei Ausbruch der globalen Finanzmarktkrise im Jahr 2008. Viele kleine Korrekturen im Detail, haben insgesamt jedoch nicht die nachhaltige Finanzmarktstabilität gebracht. Eine neue Weltwirtschaftsordnung mit einer kollektiven Stabilitätskultur liegt wohl weiterhin in weiter Ferne.
Fazit
Die derzeitige Bundesregierung mag sich im warmen Sonnenlicht ihrer derzeitig einzigartigen Rahmenbedingungen sonnen, aber Gewitter und Hagelschläge können rasch zu einer heftigen Ernüchterung führen. Dann wachsen auch wieder sowohl die konjunkturellen und strukturellen Defizite. Man hat offenbar wenig aus den Erfahrungen der Eurokrisenländer gelernt. Spanien und Irland lebten vor Ausbruch der Krise in einem vergleichbaren Schlaraffenland wie derzeit Deutschland. Dann kamen der Finanzmarktcrash und das böse Erwachen.
So könnte es Deutschland auch diesmal passieren. Bricht die Konjunktur nicht zuletzt aufgrund externer Schocks in der Weltwirtschaft ein, dann wirken die derzeit günstigen Rahmenbedingungen aufgrund deren gleichzeitigen Verschlechterung auch simultan in die entgegengesetzte Richtung. Höhere Arbeitslosenzahlen führen zu steigen Sozialausgaben. Sinkende Steuereinnahmen aufgrund einer Rezession verschlechtert das derzeit hohe Steueraufkommen. Konjunkturelle und strukturelle Defizite steigen so parallel zueinander an.
Was bei einem Einkommensanstieg über die Progression die Steuereinnahmen überproportional ansteigen lässt, führt in die umgekehrte Richtung zu unterproportional steigenden Steueraufkommen. Das Tal des Katzenjammers öffnet sich dann rasch.

 

Was Norbert Blüm und Wolfgang Schäuble an Gemeinsamkeiten haben

Beide sind Mitglieder der CDU und langjährige Minister in verschiedenen Kabinetten CDU-geführter Regierungen. Norbert Blüm ist berühmt-berüchtigt durch seinen Ausspruch im Wahlkampf geworden: „Die Renten sind sicher.“
Nun tritt Wolfgang Schäuble in dessen Fußtapfen. In der heutigen Ausgabe des Handelsblatts erklärt er: „Und denjenigen, die immer wieder mit Horrorzahlen operieren, was Deutschland an Zahlungsausfällen drohe, sage ich: Wir sind Haftungsrisiken eingegangen, ja. Aber mit Totalausfall zu rechnen, ist nicht seriös. Diesen Fall wird es nicht geben.“
Zwar hat Schäuble fluchs noch ein Schlupfloch in seine Formulierung eingebaut, er versteckt sich hinter dem Begriff Totalausfall der Bürgschaften, aber er verschwiegt geflissentlich, dass es keine vollständige Rückzahlung der zur Euro-Rettung von Deutschland zur Verfügung gestellten Gelder geben wird. Hinzu kommen eben Bürgschaften, die auch ohne einen Totalausfall den Bundeshaushalt in eine katastrophale Lage bringen werden.
Wie viel es am Ende sein werden wird die Geschichte zeigen. Jedenfalls wandelt Wolfgang Schäuble aus den Spuren Norbert Blüms. Er täuscht die Bürger über die wahre Lage der Staatsfinanzen, lässt eifrig Meldungen über gewaltige Gewinne aus der Eurokrise verbreiten und über hohe Einnahme Überschüsse bei den Steuereinnahmen sollen die triste Realität die Bürger hinwegtäuschen.
Seltsamerweise hat erneut die jüngst veröffentlichte Studie der Bertelsmann Stiftung ein ganz anderes Bild gezeichnet. Offensichtlich passen diese beiden Weltsichten nicht zueinander. Da drohen Kommunen an hohen Schuldenbergen zu ersticken und der Spiegel meldet heute regierungsfreundlich, dass insbesondere Länder und Kommunen von hohen Steuereinnahmen profitieren. Also alles im grünen Bereich?
Die traurige Realität wird sich wohl erst schrittweise nach dem 22. September der staunen Öffentlichkeit erschließen. Wovor zahlreiche Experten seit langem warnen, wird einfach von der Politik der Bundesregierung verdrängt. Sie spielt ihren Wahlsong: „Don’t worry, be happy.“

Sind Zentralbanken noch Treuhänder der Geldwertstabilität?

Zentralbanken wurden als unabhängige Institutionen außerhalb der direkten Kontrolle und Weisung der jeweiligen Regierungen geschaffen, um sie vor der politischen Einflussnahme zu schützen, die mittels der Notenpresse und dadurch herbeigeführter Inflationierung ihrer Währungen, sich an der Macht halten wollen. Unabhängigkeit mit dem Ziel der Wahrung der Geldwertstabilität ist der Kern eines institutionellen Rahmens, der die Bürger wie die Grundrechte in der Verfassung vor der Willkür der Politik schützen soll.
Das Recht auf Privateigentum wird einerseits durch die Gewaltenteilung, d.h. Unabhängigkeit der Gerichte, die die Verfassung gegen Angriffe der Politik verteidigt geschützt, und des Weiteren eben durch die unabhängigen Zentralbanken, die dem Ziel der Geldwertstabilität verpflichtet sind, garantiert. Es ist mithin die Gewaltenteilung zwischen Zentralbank – d.h. Weisungsunabhängigkeit von politischen Parteien und Regierungen -, die die Bürger vor der Lösung einer inflationären Finanzpolitik des Staates bewahren soll.
Nur dadurch ist ihre Unabhängigkeit von der Politik zu rechtfertigen. Nun sägen zahlreiche Kommentatoren im Verein mit Politikern der verschiedenen Parteien eifrig daran, genau diese Grundlage der institutionellen Verfassung des Währungssystems zu zerstören. Zum einen fordert man die politische Kontrolle der Zentralbanken, d.h. aber auch am Ende deren Einführung einer Weisungsgebundenheit durch Regierung und Parlament. Dies bedeutet aber auch das Ende von deren Unabhängigkeit.
Gleichzeitig damit verbunden ist, dass mit der Subsumtion der Zentralbank unter die Politik, nicht nur deren Unabhängigkeit beendet wird, sondern gleichzeitig ihre Zielbindung auf Geldwertstabilität verloren zu gehen droht. Geldwertstabilität wird zur politischen Disposition der jeweils herrschenden politischen Parteien gestellt. Diesen Vorgang einer Transformation des konstitutionellen Rahmens nennt man dann in der Fachwelt schlicht fiskalische Dominanz der Geldpolitik. Die Geldpolitik ist nicht mehr primär und unabhängig der Sicherung der Geldwertstabilität verpflichtet, sondern eben den fiskalischen Bedürfnissen der jeweils herrschenden Regierungen.
Die führenden Zentralbanker haben dieser Entwicklung gleichfalls Vorschub geleistet, da sie sich freiwillig als Helfershelfer der Politik der jeweiligen Regierungen zur Verfügung gestellt haben, um diesen aus ihren Kalamitäten herauszuhelfen. Der Terminus technicus lautet hierfür unorthodoxe Geldpolitik. Unorthodox ist diese fürwahr. Weil sie im Zuge des Regimewechsels hin zur fiskalischen Dominanz der Geldpolitik , d.h. der Sicherung der Staatsfinanzen vor einer drohenden Insolvenz, die Inflationierung der eigenen Währung als probates Mittel anbietet.
Die Worte von Mario Draghi vom letzten Jahr signalisierte ja die Kapitulation der EZB vor den Forderungen der Politik, diese vor den Konsequenzen eines Stalemates zu retten. Weil sich die politischen Kräfte in einem Patt verrannt haben, soll die Geldpolitik als Schmiermittel eingesetzt werden, um einen Kollaps des politischen Systems abzuwenden.
Diese Rolle als Retter einer handlungsunfähigen Politik kann sie jedoch nur erfüllen, in dem sie das Inflationsziel, d.h. die Sicherung der Geldwertstabilität aufgibt. Ähnlich wie der Diener zweier Herren, kann sie nicht eine Finanzpolitik alimentieren, die in ausufernder Staatsverschuldung, nur noch einen Fluchtweg aus ihrem politischen Dilemma sieht. Unter dem Terminus fiskalische Theorie des Preisniveaus ist dieses Problem breit diskutiert worden. Weil die Politik unfähig ist, eine nachhaltige Stabilität der Staatsfinanzen durch eine Kontrolle ihrer Einnahmen und Ausgaben zu gewährleisten, wird als Schlupfloch die Inflationierung der eigenen Währung durch die Notenpresse gewählt. Jens Weidmann wird zusammen mit Jürgen Stark nicht müde, vor diesen verhängnisvollen Konsequenzen eines solchen Regime Changes zu warnen. Offenbar sind jedoch die Bürger naiv genug die Konsequenzen eines solchen Wechsels für ihre eigenen Bedürfnisse und Interessen zu erkennen. Sie hören lieber den Schalmeiklängen der Politik.
Die verspricht Rettung und Erlösung durch eine ultralockere Geldpolitik. Dabei verschweigen sie geflissentlich, dass Inflationierung einer Währung die sozial ungerechteste Form der Umverteilung der Lasten innerhalb der Gesellschaft darstellt. Das Smart Money entzieht sich in der Regel der hohen Inflationsbesteuerung. Es sind die kleinen Leute und große Teile des Mittelstands, die ihr Geldvermögen sowie Einkommen wie Schnee in der Sonne dahinschmelzen sehen. Zudem begreifen sie nicht, dass ihre Treuhänder – wie die großen Versicherungen – diesen Prozess nicht aufhalten können. Die Vermögensverluste hinsichtlich zukünftiger Einkommensverluste werden daher nicht rechtzeitig in diesen Versicherungssystemen wahrgenommen. Der Staat saniert sich auf Kosten seiner Bürger ohne sich grundlegend reformieren zu müssen. So wie der Schuldenschnitt in Griechenland vorrangig die Armen und den Mittelstand noch ärmer gemacht hat, so wird auch eine Inflationierung der Währung all diejenigen am härtesten treffen die eine Indexierung ihrer Einkommen und Vermögen entsprechend der Beschleunigung der Inflationsrate nicht durchsetzen können.
In den USA hat Ben Bernanke, in Großbritannien Mervyn King sowie sein Nachfolger Mark Carney ebenso wie in Japan der neue Zentralbankchef Kuroda bereits die Segel gegenüber der Politik gestrichen. Mario Draghi und die Mehrheit der Mitglieder des Zentralbankrates haben mit der Verkündung des OMT ebenfalls die Grundlage für eine Geldpolitik nach den Bedürfnissen der Regierungen der Mitgliedsländer der Eurozone gelegt.
Nur wie Asterix, der Gallier, leistet Jens Weidmann als Armin Germanicus mit der Bundesbank einen zähen Widerstand gegen diesen Regimewechsel. Es ist nur zu wünschen, dass ihm ein Zaubertrank zur Verfügung steht, um das drohende Debakel der Geldpolitik in der Eurozone noch abzuwenden. Von unserer Kanzlerin und den Oppositionsparteien hat er keine Unterstützung zu erwarten. Zum Glück ist eben die Bundesbank weiterhin unabhängig und so sollte es auch bleiben, sonst ist Gefahr für die Geldwertstabilität in Verzug. Hoffen wir das Bundesverfassungsgericht als zweite Säule der Gewaltenteilung hält dem Drängen der Politik ebenfalls stand. Sonst wird uns demnächst der Himmel auf den Kopf fallen.

Schuldenschnitt: Griechenland wird zum Testfall für die Transferunion

Bereits seit einiger Zeit findet eine Debatte darüber statt, dass Griechenland einen zweiten Schuldenschnitt benötigt. Dies würde die Steuerzahler der Geberländer treffen, da sie ja die Hilfen an Griechenland finanziert haben, und, sie damit den privaten Anlegern insbesondere den Geschäftsbanken und institutionellen Anlegern den Exit aus ihren Anlagen in griechische Staatsanleihen ermöglicht haben. Zum überwiegenden Teil sind seit dem ersten Schuldenschnitt Griechenlands zu Lasten der privaten Gläubiger in Höhe von 100 Mrd. Euro jetzt die EZB und der EFSF sowie der IWF die Hauptgläubiger für die griechischen Staatsschulden. Wenn jetzt ein zweiter Schuldenschnitt ins Spiel gebracht wird, dann ist dies doch das Eingeständnis, dass die Troika mit ihrer Politik der Griechenland-Rettung versagt hat. Griechenland ist nicht zu retten. Das vollmundig im ersten Bericht der Troika angekündigte Reformpaket insbesondere auch die 50 Mrd. Euro Privatisierungserlöse erwiesen sich als Luftbuchung. Auch nach vier Jahren ist Lage ähnlich desaströs wie zuvor.
Griechenland wird, wenn es in der EU bleibt zum Dauerempfänger von Transzahlungen aus den anderen Ländern. Der Schuldenschnitt ändert daran gar nichts.
Eine Zwischenbilanz
Von den 144,6 Mrd. Euro die laut Vereinbarung bis Mitte 2014 vom EFSF nach Griechenland geflossen sein werden, würde ein Schuldenschnitt um 50% – wie er derzeit diskutiert wird – einen Abschreibungsbedarf von 72 Mrd. Euro bedeuten. Es stehen für die Zeit bis zum Ende des Hilfsprogramms im Jahr 2014 nur noch 11,7 Mrd. Euro zur Verfügung. Mithin ist das meiste Geld bereits an Griechenland seitens des EFSF geflossen.
Es ist absehbar, dass bis dahin Griechenland nicht ohne weitere Finanzhilfen vor einer Staatsinsolvenz aus eigener Kraft gerettet werden kann. Mithin stehen die Geberländer einschließlich des IWF, der noch 10,7 Mrd. Euro für Griechenland bis Ende 2014 zugesagt hat, vor der Frage, ob sie dem schlechten Geld noch neues gutes hinterher werfen sollen. Beim IWF wachsen insbesondere bei den großen Geberländern, den BRICS, die Widerstände das vergleichsweise zu ihren Pro-Kopf-Einkommen immer noch reiche Griechenland weiter zu alimentieren. Brasilien steht hierbei an vorderster Stelle. Dem IWF wird schon lange nachgesagt, dass es Griechenland nicht mehr weiter mit Hilfsgeldern stützen will. Damit droht ein Ende der Troika. Die EU-Kommission und Vertreter der EZB würden das Ausscheiden des IWF sogar begrüßen. Man müsste sich dann nicht mehr der kritischen Kontrolle seiner Beihilfen für Griechenland stellen. Letztendlich sind sich alle einig, ohne zusätzliches Geld für Griechenland steht das Land spätestens im kommenden Jahr erneut vor der Staatspleite.

Schuldenschnitt und was dann?
Der Schuldenschnitt soll jedoch nur verschleiern, dass jetzt weitere Gelder nach Griechenland fließen sollen. Es wird ein weiteres „Rettungspaket“ in mindestens zweistelliger Milliardenhöhe folgen müssen. Da die noch zugesagten Mittel für 2014 nicht ausreichen werden, muss ein solches Programm bereits 2013 verhandelt und beschlossen werden. Darum beginnt auch jetzt bereits eine entsprechende Kampagne in der Öffentlichkeit. Sofort nach der Bundestagswahl wird dann die Rechnung präsentiert.
Die Reduzierung der Schuldenlast von 144 Mrd. Euro auf 72 Mrd. Euro würde dann kosmetisch die Schuldenlast schrumpfen lassen. De facto zahlt Griechenland auf diese 144 Mrd. Euro bereits jetzt keine Zinsen und keine Tilgungen ebenso wenig wie für ihre Kredite bei SMP, Target2-Salden und ELA bei der EZB.
Hinzu kämen 30,8 Mrd. Euro aus dem SMP, 71,4 Mrd. Euro aus Target2 und eben ELA (?) der EZB. Mithin auch ohne die Zahlen von ELA zu kennen, kämen durch die EZB nochmals 102,2 Mrd. Euro hinzu, die die EZB laut Fratzscher gerne an den EFSF abgeben würde. Der IWF ist grundsätzlich erstrangiger Gläubiger und würde bei einem Schuldenschnitt letztendlich draußen vor bleiben. Die EZB möchte ebenfalls nicht für die geleisteten Griechenlandhilfen bei einem Schuldenschnitt beteiligt werden. Es würde auch die Glaubwürdigkeit der EZB ihr OMT-Programm ohne Verluste für die Anteilseigner der EZB realisieren zu können untergraben. Würden bereits bei den bisherigen Hilfsmaßnahmen massive Verluste insbesondere auch beim SMP für die EZB entstehen, dann wäre ein OMT ebenso risikobehaftet wie der SMP zuvor. Mario Draghi und die EZB müssten sich vorwerfen lassen, dass man die Öffentlichkeit über die Kosten ihrer Geldpolitik im Unklaren gelassen hätte. Das Counter Party Risk , d.h. das Risiko der Gegenpartei – in diesem Fall Griechenland – wäre sträflich vernachlässigt worden. Bereits jetzt sind ja die Konditionalitäten der Hilfszahlungen für Griechenland regelmäßig kaum oder nur zu einem geringen Umfang erfüllt worden. Dabei spielt der kleine Unterschied von de facto und de jure eine entscheidende Rolle. Was der Areopag beschließt, ist ja keineswegs gelebte Wirklichkeit. Gesetze und Verordnungen werden nicht umgesetzt und mithin bleiben de facto unwirksam. Trotz aller Beschlüsse den Haushalt über Steuererhöhungen zu konsolidieren, ist das Defizit aus nicht gezahlten Steuern in Griechenland auf derzeit 60 Mrd. Euro angeschwollen. In Anerkenntnis, das die Finanzverwaltung in Griechenland nicht im Stande ist, diese Steuern einzutreiben, wurde jetzt einfach beschlossen die Abführung der Mehrwertsteuer in Höhe von 23 Prozent zur Stützung des Tourismus in Griechenland auf 13 Prozent abzusenken. Ob bei einem grassierenden Steuerstreik in der griechischen Bevölkerung dies eine Wirkung hinsichtlich zusätzlicher Steuereinnahmen im Sinne der Laffer-Kurve zeitigen könnte, bleibt abzuwarten.
Ein Schuldenschnitt inklusive dieser 102,2 Mrd. Euro würde nochmals 51,1 Mrd. Euro bedeuten. Macht summa sumarum 122,5 Mrd. Euro. Kleine Abweichungen sind denkbar, da die Zahlen der EZB nicht auf dem aktuellsten Stand sind.
Beim EFSF hält Deutschland einen Anteil von 27,13 %, d.h. es müssten 33,2 Mrd. Euro beim Schuldenschnitt Griechenlands vom deutschen Steuerzahler übernommen werden. Dazu kämen dann die neuen Mittel für einen „Rettungsschirm“, um die Anschlussfinanzierung Griechenlands in 2014 ff. sicherzustellen.
Unterstellen wir einfach mal 50 bis 75 Mrd. Euro – eine konservative Schätzung – um Griechenland über die Jahre 2014 bis 2017 (vier Jahre) sicherzustellen, dann wären das nochmals 13,5 bis 20 Mrd. Euro mit denen der deutsche Steuerzahler ins Risiko ginge.
Am Ende würde Griechenland dann im Jahr 2017 trotz Schuldenschnitt in etwa wieder da stehen, wo es jetzt beim EFSF gestanden hat. Der kurzfristige Rückgang im Jahr 2014 der Staatsschuldenquote würde in den Folgejahren wieder sukzessive auf in etwa das gleiche Niveau ansteigen.
Solange Griechenland seine Strukturreformen nicht in Gang kriegt und wieder auf einen positiven Wachstumspfad zurückkehrt, sind alle Finanzhilfen der Länder der Eurozone nachhaltig wirkungslos. Griechenland dürfte auf absehbare Zeit weder im Stande sein seine Altschulden hinsichtlich Zinsen sowie Tilgung zu bedienen noch für die zukünftigen das zu leisten. Das sind dann jedoch keine Hilfskredite mehr, sondern de facto bereits Transferleistungen, die als Hilfskredite getarnt werden. Der Schuldenschnitt, der jetzt diskutiert wird, macht dies nur explizit.
Je stärker die wirtschaftliche Entwicklung zwischen Deutschland und den Krisenländern auseinander driftet, desto mehr wird sich auch der bisherigen Anteil von 27,13 Prozent am EFSF und bei der EZB für Deutschland erhöhen und der der Krisenländer sinken.
Verweigert man weiterhin den vom IWF geforderten Schuldenschnitt, könnte der dies als casus belli nehmen aus der Troika aussteigen. Dann kämen durch den Bail-out des IWF nochmals 19,1 Mrd. Euro für die EU-Mitglieder hinzu. Das macht auch den Unterschied des IWF und der EZB sowie des EFSF/ESM deutlich. Der IWF fordert als restrangiger Gläubiger auf keinen Fall Verluste für seine Hilfskredite hinnehmen zu müssen. EZB und EFSF/ESM sind jedoch zu einer solchen Kreditausfallhaftung bereit. Durch den Wirrwarr an verschiedenen Töpfchen der Hilfsgelder an Griechenland blickt leider in der breiten Öffentlichkeit niemand mehr durch.
Griechenland als Schuldner und Gläubiger zugleich
Pikant wird es, da ja Griechenland selbst mit 2,82 Prozent am EFSF beteiligt ist. Mithin würde ein Schuldenschnitt Griechenlands anteilmäßig auch wieder zu Lasten Griechenlands gehen. Verzichten die anderen Länder dann auf eine Beteiligung Griechenlands am Schuldenschnitt? Wie reagieren die anderen Schuldnerländer auf eine solche Maßnahme? Wollen die nicht auch dann von ihren Schulden entlastet werden? Wie finanziert denn der Finanzminister die Summe von 33 bis 35 Mrd. Euro, die er unter günstigsten Bedingungen im Jahr 2014 aufgrund des Schuldenschnitts im Haushalt 2014 refinanzieren muss? Höhere Steuern, Ausgabenkürzungen? Wo denn bitte schön? Die Parteien in Deutschland haben solche Fragen aus dem Wahlkampf zur Bundestagswahl ausgeschlossen.
Alles offene Fragen auf die niemand derzeit eine Antwort weiß.
Weitere Zinskosten der Griechenland-Beihilfen
Es ist ja auch nicht so, dass die Kredite an Griechenland, die zinslos und ohne Tilgung via EFSF und EZB gewährt werden, kostenlos am Kapitalmarkt gegenfinanziert werden können. Die Zinskosten werden also bereits jetzt vom deutschen Steuerzahler und denen der anderen Mitgliedsländer regelmäßig übernommen.
Der EFSF muss ja die Kredite über den privaten Kapitalmarkt mittels Eurobonds finanzieren. Unterstellen wir durchschnittlich 2,5 Prozent Zinsen, dann kosten die 144 Mrd. Euro derzeit jährlich 3,6 Mrd. Euro, d.h. Deutschland zahlt jetzt rund 1 Mrd. Euro für die Finanzierung der Schulden Griechenlands über den EFSF. Kämen SMP und Target2-Salden Griechenlands beim EFSF hinzu, dann wären es beim EFSF 6,155 Mrd. Euro und für Deutschland bei einem Anteil von 27,13 Prozent bereits 1,66 Mrd. Euro jährlich.
Bei der EZB läuft es bisher indirekt. Die EZB kann aufgrund der Zinslosigkeit weniger Gewinne an die Bundesbank überweisen, die bildet bereits deswegen Rückstellungen für den Fall des Kreditausfalls Griechenland, und überweist nur den Zinsbetrag, den Schäuble an Griechenland erstattet. Steigen die Zinsen im Zuge der weltweiten Zinswende, dann wird auch hier der Zinsverzicht deutlich teurer. Das Zinstief ist jedenfalls für Deutschland Ende Mai Anfang Juni 2013 erreicht worden.
Je nach Annahme könnten hier auch noch bis zu 5 bis 6 Mrd. Euro an Zinskosten für den deutschen Steuerzahler aus den Griechenland Transfers lauern. Nach dem Prinzip total transfer payments an Griechenland müsste Deutschland also bereits im Jahr 2014 zwischen 40 bis 50 Mrd. Euro stemmen. Dabei sind die ELA-Kredite Griechenlands – weil unbekannt – noch unberücksichtigt geblieben. Da könnte ja etwas Licht demnächst ins Dunkel kommen.
Ob man konkrete Zahlen rausrückt bleibt weiterhin offen.
Schuldenschnitt, weitere Transferleistungen plus ein neues Hilfspaket sind des Pudels Kern
Diese Zahlungen des Jahres 2014 hätten mit einer Rettung Griechenlands de facto nichts zu tun, denn es müsste ja zusätzliches frisches Geld mindestens in Höhe von 50 bis 75 Mrd. für die kommenden vier Jahre allein nachgereicht werden. Griechenland ist und bleibt ein Fass ohne Boden. Die Politik versucht jedenfalls die öffentliche Debatte über die anstehenden Transferleistungen mit allen Kräften zu verhindern. Damit verstößt man jedoch sowohl gegenüber den Parlamenten wie auch gegenüber der Bevölkerung gegen den Grundsatz der Budgethoheit. Die Bürger und Parlamentarier können aufgrund der derzeitigen Lage kaum einschätzen auf welches Risiko permanenter Transferzahlungen sie sich bei Griechenland einlassen. Nur häppchenweise werden Stück für Stück die Folgen der Rettungspolitik Griechenlands offenbart. Wer glaubt, dass Griechenland das einzige Land innerhalb einer europäischen Transferunion bleiben wird, macht sich weitere Illusionen. Das ist erst der Anfang einer Debatte, die die Europäische Union in den kommenden Jahren belasten wird.

Eurokrise: Die fatalen Folgen des billigen Geldes

Seit dem Ausbruch der Eurokrise mit der Mitteilung Griechenlands, dass man das Haushaltsdefizit massiv bei den Statistiken nach unten manipuliert habe, ist ein Streit entstanden, was die Ursachen für die daraus sich entwickelnde Eurokrise gewesen sei. Für die Südländer zusammen mit Irland lag die Ursache in der Divergenz bei den Geld- und Kapitalmarktzinsen innerhalb der Eurozone. Nachdem nach Einführung des Euro sich die Zinsen an das niedrige Zinsniveau in Deutschland angepasst hatten, erlebten diese Länder insbesondere eine Sonderkonjunktur. Geld war schlagartig auf ein zuvor historisch einzigartig niedriges Niveau für die Länder gefallen.

 Dieser Bonus verführte die Politik und Wirtschaft aufgrund dieses Wunders dazu ihre Kredite finanzierten Ausgaben sowohl bei Investitionen und Konsum massiv auszuweiten. Das schnellere Wirtschaftswachstum wurde als großer Erfolg der Währungsunion in diesen Ländern gefeiert. Deutschland wurde insbesondere in den PIIGS-Staaten aufgrund rasant steigender Arbeitslosigkeit und niedrigen Wirtschaftswachstums plötzlich als kranker Mann Europas belächelt[1]. Man sah sich und war es vorübergehend auch als Gewinner der Währungsunion.

Deutschland Probleme in dieser Lage sich wirtschaftlich zu behaupten wurden hämisch zur Kenntnis genommen und kommentiert. Die stabilitätsverrückten Deutschen konnten den von ihnen durchgesetzten Parkt nicht einhalten und wurden so gleich als Freibrief angesehen sich auch darüber hinwegsetzen zu können. Fiskalische Disziplin galt nichts, seitdem der ehemalige Musterschüler selbst daran scheiterte. Die Bundesregierung wurde zum Bittsteller, dass ein Defizitverfahren und Strafzahlungen seitens der EU-Kommission nicht gegen Deutschland eingeleitet würden.[2]

Man übersah, dass Deutschland aufgrund der dort herrschenden Krise zu grundlegenden Strukturreformen gezwungen war. Bereits vorher wurden die Sozialsysteme unter dem Druck der Finanzkrisen und hoher Lohnnebenkosten so reformiert, dass die Leistungen und Lohnnebenkosten nachhaltig gesenkt wurden. Dies war genau das Gegenteil zur Entwicklung in den Krisenländern.  Deutschland profitierte zugegebener Maßen von dem günstigen Umfeld, da ja in dieser Zeit die Weltwirtschaft und auch die EU sich in einer Phase deutlich höheren Wirtschaftswachstums befanden.  Man konnte daher über den Außenhandel Defizite in der Binnennachfrage in Deutschland leichter kompensieren zu mal Deutschland traditionelle eine starke Stellung im weltweiten Außenhandel einnimmt. Deutschland avancierte in dieser Zeit daher zum Exportweltmeister.[3] Man konnte unter diesen globalen Rahmenbedingungen die zuvor extrem hohe Arbeitslosigkeit in Deutschland durch ein exportgetriebenes Wirtschaftswachstum reduzieren.[4] Gleichzeitig führte es aber auch zu einer Investitionsschwäche in Deutschland.[5] Zuviel Kapital floss aufgrund der Leistungsbilanzüberschüsse ins Ausland.[6]

Geld war dagegen schlagartig mit Beginn der Währungsunion für die PIIGS-Staaten zu billig geworden.[7] Die Haushaltsdisziplin dort brach sukzessive zusammen und es wurden aus Beton Luftschlösser gebaut und soziale Wohltaten verteilt, die man langfristig nicht bezahlen konnte. Bei den Haushalten fand eine kreditfinanzierter Immobilienboom statt, der bei steigenden Zinskosten zwangsläufig zu einem Platzen der Immobilienblase führen musste. Da die inländischen Ersparnisse für diese Kreditexpansion dieser Länder nicht ausreichten, wurde die Finanzierung durch Kapitalimporte massiv vorangetrieben. Das Bankensystem alimentierte dies ohne die damit einhergehenden Kreditausfallrisiken adäquat zu berücksichtigen. Man vertraute auf die Bonitätsbewertungen der international führenden Ratingagenturen. Die Leistungsbilanzen der Krisenländer sprechen hier eine deutliche Sprache. Daraus leitete man dann nach Ausbruch der Krise flugs ab, dass Deutschland sich zu Lasten der Krisenländer eine Wettbewerbsfähigkeit durch Lohndumping insbesondere im Zuge der Agenda 2010 erschlichen hätte. Schuld haben bekanntlich in einem blame game immer die anderen.

Nun wissen Ökonomen ja generell, dass jedes Ding zwei Seiten hat. Angebot und Nachfrage müssen am Markt in Übereinstimmung miteinander gebracht werden. Das Marktergebnis ist jedoch nicht immer ein nachhaltiges Gleichgewicht, sondern kann auch ein Ungleichgewicht hinsichtlich der Nachhaltigkeit repräsentieren. Zu dem müssen alle Akteure sowohl auf der Nachfrage- wie auch auf der Angebotsseite für das Marktergebnis Verantwortung übernehmen.

Die Tragfähigkeit der Schulden war bereits mit Beginn der Eurozone in großer Gefahr. Die Reaktion auf die Eurokrise war jedoch unter der Begleitung zahlloser prominenter Ökonomen stattdessen die schnelle Rückkehr zu einem gleichen niedrigen Zinsniveau wie vor der Eurokrise im Jahr 2006 mit Hilfe von Eurobonds[8] anzustreben.[9] Die Ursache für die Kreditblasen in den Ländern sollten daher mit noch mehr Krediten zu Niedrigzinsen bekämpft werden. Geringere Zinskosten sollten als Painkiller für eine bestehende und sich weiter verschärfende Strukturkrise eingesetzt werden. Man wollte so weiterwursteln wie bisher.

Die strukturellen Probleme, die diese Länder schon vor dem Beitritt der Eurozone aufwiesen, sollten erneut mit einer Politik des billigen Geldes zugekleistert werden. Man hatte und wollte aus der Krise nichts gelernt haben bzw. wollte für die Zukunft nichts dazu lernen. Das Schlaraffenland der Politik des billigen Geldes sollte fortbestehen und wie dort führte das auch zu einer Trägheit was Reformwillen und Strukturanpassungen betrifft. Der Begriff moralisches Risiko umschreibt diesen Sachverhalt nur euphemistisch.

Trotz des Stabilitäts- und Wachstumspakt und der zwei Kriterien der Defizit- und Schuldenquote gemessen am Bruttoinlandsprodukt wurden diese Kriterien spätestens mit der Entscheidung von Deutschland und Frankreich Defizitverfahren de facto auszusetzen,  zu einem Rechtsrahmen ohne Wert.[10] Da der Stabilitäts- und Wachstumspakt nicht mehr sanktionsbewehrt war, brach die fiskalische Disziplin insbesondere in den jetzigen Krisenländern völlig zusammen.

Staatsverschuldung_in_Europa

Der Glaube an die Beständigkeit der Niedrigzinsen auf den Kapitalmärkten erwies sich jedoch als fatale Fehleinschätzung.  Mit der globalen Finanzkrise, die ihren Ausgangspunkt in den USA hatte, wurde die Fragilität der Finanzverfassung zahlreicher EU-Länder und insbesondere auch der Eurozone offensichtlich. Steigende Zinsen weltweit und Kapitalflucht in Ländern mit größerer Finanzstabilität hatten umgekehrt Schuldenfallen in den PIIGS-Ländern zur Folge. Die Krisenländer bekamen aufgrund der Haltung der internationalen Geldgeber kein Geld mehr oder zu extrem hohen Zinssätzen aufgrund hoher Risikoaufschlage. Die CDS- Spreads[11] der PIIGS-Staaten zu Ländern wie beispielsweise Deutschlands zeigten dies deutlich. Gleichzeitig führte die prekäre Lage dazu, dass insbesondere auch die Refinanzierungskosten der bereits bestehenden Schulden aufgrund des Zinsschocks in die Höhe schossen. Das lockte natürlich auch Spekulanten an, die auf Staatspleiten und ein Auseinander brechen der Währungsunion insbesondere auch über Derivatmärkte mit hohen Hebeleffekten spekulieren konnten. Mithin waren die Spekulanten weitere Sündenböcke, die für die Krise verantwortlich gemacht werden konnten, ebenso die Ratingagenturen.  Aber damit wurden nur die Symptome und nicht die fundamentalen Ursachen thematisiert. Es ist eben die strukturelle Divergenz zwischen den Ökonomien der Mitgliedsländer, die mit der Einführung des Euro eingeleitet wurde. Allerdings ist diese Entwicklung nicht monoton nur in eine Richtung Verlaufen. Die Gewinne und Verluste waren auf der Zeitachse für die einzelnen Länder höchst ungleich verteilt. Was zuerst als komparativer Vorteil für die jetzigen Krisenstaaten erschien, wandelte sich ab 2008 zu einem fundamentalen Nachteil. Jetzt sind Strukturanpassungen plötzlich unausweichlich geworden und das weltwirtschaftliche Umfeld dafür ist mehr als ungünstig. Man hat Double Trouble. Man hat die günstige Zeit für Strukturreformen zuvor verpasst. Jetzt ist das Wehgeschrei groß zumal die Arbeitslosigkeit[12] hoch und die Wirtschaft[13] in der Rezession steckt. Unter solchen Rahmenbedingungen Strukturreformen umsetzen zu müssen bedeutet zwangsläufig eine Rosskur, die durch massive soziale Konflikte begleitet sind.

Was tun?

Die Länder der Eurozone haben darauf mit einem Bündel von Hilfsmaßnahmen reagiert. Der Forderung nach Zinssenkungen wurde durch eine Reihe von Hilfsfonds mit einer Haftung der Mitgliedsländer der Gemeinschaft reagiert. Allerdings wurden diese Mittel nicht ohne Konditionen an Reformanstrengungen gewährt. Der EFSF und jetzt auch der ESM dürfen nur Finanzierungshilfen unter Auflagen geben, die durch die Troika bestehend auf IWF, EU-Kommission und EZB, nach Prüfberichten durch die Troika freigegeben werden können.[14]

Was zunächst als angemessene Form in der Tradition des IWF zur Beseitigung von Zahlungsbilanzkrisen einzelner Länder weltweit angesehen wurde, entwickelt sich immer mehr zum Zankapfel, da die vereinbarten Strukturanpassungen nicht entsprechend zügig umgesetzt werden. Mithin werden die Vereinbarungen schon seit Beginn der ersten Griechenland Hilfszahlungen regelmäßig gebrochen. Die Konsolidierungsfortschritte bleiben deutlich hinter den geplanten zurück. Um einen Zusammenbruch bei Beendigung der Hilfsprogramme zu vermeiden, werden trotz Minderleistungen die Hilfsbeträge weiter ausgezahlt. Die Konditionalitäten der Troika werden jedoch so mehr und mehr zu einem Papiertiger.

Wie der Stabilitäts- und Wachstumspakt werden auch hier die Vereinbarungen systematisch unterhöhlt. Die Regierungen der betroffenen Länder berufen sich auf die Unmöglichkeit die Vereinbarungen vorsätzlich oder aufgrund ungünstiger Umstände umzusetzen. Dabei behauptet man, man würde solche Vereinbarungen nur aufgrund des Diktats der Troika abschließen. Der Schuldige sitzt wider nicht daheim, sondern im Ausland. Deutschland und die Kanzlerin werden bewusst zu Hassobjekten stilisiert. Die Zustimmung zur EU und zur Währungsunion sinkt dramatisch.[15] Die EU und die Währungsunion und ihre Institutionen stehen damit auch vor einem Legitimationsproblem.

Es verwundert nicht, dass die EU und ihre Institutionen in eine Legitimationskrise gerutscht sind. Man hat lange Jahre vor Ausbruch der Krise ein Kalmierungspolitik betrieben. Man hat – um des lieben Friedens willen – Verstöße und Rechtsbrüche toleriert. Damit hat sich aber auch ein Verhalten immer mehr durchgesetzt, das bestehende Regelwerk der Verträge nicht mehr ernst zu nehmen. Diese Erbe einer Dysfunitionalität plagt jetzt jede institutionelle Reform, die angepackt wird. Versprochen gebrochen ist eben nicht nur bei der No-Bailout-Klausel die alltägliche Erfahrung, sondern betrifft den neu beschlossenen Fiskalpakt oder eben die Konditionalitäten bei den Verhandlungen mit der Troika. Das nährt die Zweifel, dass institutionelle Reformen auch wenn die von Regierungen und Parlamenten keine Wirksamkeit haben werden, wenn es den nationalen Interessen einzelner Länder widerspricht. Das politische System erweist sich als zunehmend handlungsunfähig. Es ist kein Geheimnis mehr, dass damit eine allgemeine Verunsicherung über die Absichtserklärungen und deren wirksamer Umsetzung immer weitere Kreise zieht. Viele setzten daher ihre Hoffnungen nur noch auf die EZB, die als einzige noch handlungsfähige Institution der Währungsunion angesehen wird.[16] Das ist aber eine gefährliche Überdehnung des Mandats der EZB.

Ihre Aufgabe besteht ja grundsätzlich nur darin für Preisstabilität in de Mitgliedsländern zu sorgen und bei einer Finanzmarktpanik als lender-of-last-resort[17] eine Liquiditätskrise durch entsprechende Bereitstellung von Zentralbankgeld zu verhindern. Schon durch die Beteiligung an der Troika hat sie jedoch eindeutig politische Funktionen übernommen, die durch ihr ursprüngliches Mandat nicht gedeckt sind. Sie hat damit bereits einen Teil ihrer Unabhängigkeit geopfert. Schließlich ist sie ja dadurch für den Erfolg und Misserfolg der Konsolidierungspolitik mitverantwortlich.

Hinzu kommt, dass sie aufgrund der Konditionalitäten eine alternative Refinanzierungsquelle für Staatsschuldenfinanzierungen der Krisenländer geworden ist. Durch den Ankauf von Staatsschuldpapieren auf dem Sekundärmarkt via SMP und zukünftig auch OMT, wenn dem das Bundesverfassungsgericht nicht einen Riegel vorschiebt, wird Staatschuldenfinanzierung einzelner Krisenländer ohne Konditionalisierungen betrieben. Es verwundert nicht, dass sie damit zum lender-of-first-resort[18], d.h. es ist immer attraktiver bei der EZB sich zu refinanzieren als sich den Zwängen der Troika-Programme und damit Mitteln über den EFSF oder ESM zu beschaffen. Es gehört zu einem schwelenden Konflikt zwischen der EZB und dem EFSF/ESM wer denn nun für diese Aufgabe zuständig sein soll. Bisher legitimiert sich die EZB darüber, dass sie quasi nur eine Zwischenfinanzierung vornehme und später diese Aufgabe auf den EFSF/ESM übertragen werden soll. Allerdings dauert der Übergang schon viel zu lange und die Refinanzierungssummen der Krisenländer übersteigen das Finanzvolumen des Rettungsfonds deutlich. Insbesondere die Target2-Salden verharren weiterhin auf einem hohen Niveau.[19] Sollte es zu Ankäufen durch das OMT demnächst kommen, ginge die EZB zusätzlich weitere hohe Kreditrisiken ein. Letztendlich findet hier mit Duldung der Regierungen und Parlamente der Mitgliedsländer eine Selbstermächtigung statt.[20] Alle Maßnahmen der EZB – so die Rechtsauffassung der EZB – sind durch ihren Rechtsrahmen gedeckt. Allerdings bestehen diesbezüglich insbesondere in Deutschland schwere Zweifel, Die Klagen beim Bundesverfassungsgericht machen dies deutlich. De facto geht die EZB hohe Risiken ein, in dem sie ihre Bilanzsumme mit Wertpapieren zweifelhafter Bonität massiv ausgeweitet hat. Ihre Hoffnung ist, dass Kreditausfälle auf solche Wertpapiere ausgeschlossen werden können. Dass dies wohl eine fromme Hoffnung ist, die an der Realität scheitern könnte, zeigt bereits der Streit zwischen IWF und EZB letztere sollte im Zuge eines Schuldenschnitts für Griechenland Verluste realisieren und in ihrer Bilanz ausweisen.[21] Dabei herrscht das Heilige-Sankt-Florians-Prinzip. Der IWF sieht sich als erstrangiger Schuldner, der keinen Schuldenschnitt zu tragen habe. Die EZB möchte ähnlich behandelt werden. Die Geberländer insbesondere Deutschland wollen nicht gegenüber der eigenen Bevölkerung den Offenbarungseid leisten, dass man dem schlechten Geld noch gutes des deutschen Steuerzahlers hinterher geworfen hätte. All dieses Manövrieren stärkt natürlich nicht die Glaubwürdigkeit der Politik einschließlich des IWF und der EZB. Auch wenn die Mehrheit der Bürger innerhalb der EU und insbesondere auch in Deutschland das immer komplexere Gespinst der Finanzakrobatik der Politik einschließlich der EZB durchschauen kann, schwindet das zunehmend Vertrauen in die Wirksamkeit der ergriffenen politischen Maßnahmen und institutionellen Reformen. Vieles was theoretisch auf dem Papier ja hübsch aussehen mag, hat sich in der praktischen Umsetzung als äußerst fragwürdig erwiesen. Die großen Versprechungen bei Einführung der Wirtschaft- und Währungsunion haben sich ja auch in der Vergangenheit als illusionär erwiesen.  Glaubwürdigkeit und Vertrauen müssen jedoch mühsam über die Einheit von Wort und Tat erworben werden. Wer immer wieder viel verspricht, aber diese Versprechen nicht halten kann, dem glaubt man nicht.

Jetzt droht mit dem Ende der weltweiten Niedrigzinspolitik aufgrund der Beendigung der ultra-leichten Politik der Zentralbanken ein weltweiter Zinsanstieg. Es ist mehr als zweifelhaft, ob sich die EZB dieser Entwicklung verweigern kann. Auch in Deutschland zeigen sich erste Warnsignale einer Zinswende.[22] Mithin werden sich die Rahmenbedingungen tendenziell weiter verschlechtern. Die BIZ fordert bereits in seinem jüngsten Jahresbericht[23] trotz der damit verbundenen Kosten an steigender Arbeitslosigkeit und niedrigeren Wirtschaftswachstums, die Politik des billigen Geldes zu beenden, da es bereits jetzt zu einer deutlichen Herausbildung weltweiter Finanzblasen gekommen ist.[24] Wenn man eine kontrollierte Deflationierung der Finanzmarktblase noch erreichen will, dann muss jetzt gehandelt werden. Jede Verzögerung schafft noch größere globale Finanzmarktrisiken, die von der bereits fragilen globalen Finanzmarktverfassung noch schlechter bewältigt werden können. Es ist fünf Minuten vor zwölf.

Im Ergebnis muss deshalb konstatiert werden, dass die Politik bei der Reform der Finanzmärkte und der Stabilisierung insoweit versagt hat, dass man viele zentrale Probleme nicht gelöst, sondern leichtfertig in die Zukunft verschoben hat. Doch die Zukunft ist bekanntlich das Heute von morgen. Der Zahltag könnte schneller kommen als es sich viele erhofft haben. Dann ist es aber zu spät.